Rechtsextremismus im Wandel Forum Berlin - Bibliothek der ...
Rechtsextremismus im Wandel Forum Berlin - Bibliothek der ...
Rechtsextremismus im Wandel Forum Berlin - Bibliothek der ...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Einleitung<br />
Betrachtet man die Entwicklung des <strong>Rechtsextremismus</strong> seit <strong>der</strong> deutschen<br />
Einheit, dann fällt zu allererst auf, dass sich das rechtsextremistische Potenzial<br />
zwischen 1993 und 2009 von rund 65 000 Personen auf knapp 27 000 Personen<br />
verringert hat. Das bedeutet einen Rückgang von 60 Prozent! Auch haben<br />
rechtsextremistische Parteien nach wie vor keine Chance, bundesweit die<br />
Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden, und auf Landesebene sind ihre Wahlergebnisse<br />
zumeist rückläufig. Weiterhin scheint die Anfälligkeit <strong>der</strong> Bevölkerung für<br />
rechtsextremistische Einstellungen in den letzten Jahren etwas abgenommen<br />
zu haben. Und schließlich ist Deutschland <strong>im</strong> internationalen Vergleich nur mäßig<br />
mit <strong>Rechtsextremismus</strong> belastet. Die Programme <strong>der</strong> Bundesregierung gegen<br />
<strong>Rechtsextremismus</strong>, die zivilgesellschaftliche Gegenwehr und die Arbeit <strong>der</strong><br />
Strafverfolgungsbehörden waren offenbar außerordentlich erfolgreich. Haben<br />
wir also Anlass, um Entwarnung zu geben? Die Antwort lautet definitiv: Nein!<br />
Dieses apodiktische „Nein!“ gründet sich nicht nur auf das fast schon geflügelte<br />
Wort von Erwin K. Scheuch und Hans-Dieter Klingemann aus dem Jahr 1967,<br />
dass es sich be<strong>im</strong> <strong>Rechtsextremismus</strong> um eine „normale Pathologie“ (Krankheit)<br />
mo<strong>der</strong>ner Industriegesellschaften handelt. Das trifft zwar nach wie vor zu, ist<br />
aber nicht mein hauptsächliches Argument. Ich werde in dieser Broschüre zeigen,<br />
dass sich <strong>der</strong> <strong>Rechtsextremismus</strong> in den vergangenen 20 Jahren stark verän<strong>der</strong>t<br />
hat. Richtig ist, dass sich das Personenpotenzial – wie von den Verfassungsschutzbehörden<br />
ermittelt – deutlich verringert hat. Aber gleichzeitig ist <strong>der</strong> Gefährdungsgrad<br />
des <strong>Rechtsextremismus</strong> für die Demokratie dramatisch gewachsen:<br />
Wir haben es mit einer massiven Verschiebung von eher systemkonformen<br />
zu eher systemfeindlichen Praktiken zu tun. Der Anteil <strong>der</strong> systemfeindlichen<br />
Kräfte am rechtsextremistischen Personenpotenzial betrug 2009 bundesweit 78<br />
Prozent, in Ostdeutschland sogar 96 Prozent. Und die rechtsextremistisch motivierte<br />
Kr<strong>im</strong>inalität hat sich zwischen 1990 und 2009 verzehnfacht.<br />
Angesichts dieser Entwicklungen kann von Entwarnung keine Rede sein. Im Gegenteil!<br />
Die Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem <strong>Rechtsextremismus</strong> muss konsequent<br />
– möglichst noch intensiver und professioneller – fortgesetzt werden.<br />
Richard Stöss<br />
<strong>Berlin</strong>, <strong>im</strong> Oktober 2010<br />
Einleitung – <strong>Rechtsextremismus</strong> <strong>im</strong> <strong>Wandel</strong> 9