Jahresbericht 2010 - Aufgaben und Ergebnisse - DFG
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schen Wurzeln, die britische Projektleiterin<br />
Nelida Fuccaro kommt aus<br />
Italien – ein wahrhaft multi-nationaler<br />
Blick.<br />
Gemeinschaftliche Gewalt<br />
Wie facettenreich die geschichtswissenschaftliche<br />
Perspektive auf Gewalt<br />
sein kann, zeigt eine <strong>2010</strong> angelaufene<br />
Forschergruppe, die unter dem<br />
Oberbegriff „Gewaltgemeinschaften“<br />
zahlreiche soziale Gruppen aus verschiedensten<br />
Epochen in den Blick<br />
nimmt. Deren gemeinsames Kennzeichen<br />
ist zunächst, dass sie allesamt<br />
physische Gewalt ausgeübt haben –<br />
aber auch, dass sie eben durch Gewalt<br />
als Gruppe zusammengehalten<br />
worden sind. „Gewalt ist janusköpfig,<br />
auch in ihrer sozialen Funktion“,<br />
erläutert der Sprecher der Forschergruppe,<br />
der Kasseler Neuzeithistoriker<br />
Winfried Speitkamp. „Sie zerstört<br />
Gemeinschaften, aber sie stiftet sie<br />
auch.“<br />
Auf welche Weise Gewalt Gemeinschaften<br />
zusammenhält – <strong>und</strong> oft<br />
auch erst zusammenschweißt –, das<br />
untersucht der Verb<strong>und</strong> in insgesamt<br />
zehn Teilprojekten unter anderem<br />
am Beispiel gotischer Kriegergruppen<br />
im spätrömischen Reich, frühneuzeitlicher<br />
Söldnerverbände <strong>und</strong> paramilitärischer<br />
Verbände in Osteuropa<br />
zwischen 1918 <strong>und</strong> 1944. Mit der<br />
Kernfrage nach der gleichsam konsti-<br />
Geistes- <strong>und</strong> Sozialwissenschaften<br />
tutiven Kraft der Gewalt sind weitere<br />
Erkenntnisinteressen verb<strong>und</strong>en, die<br />
Speitkamp so formuliert: „Wie sind<br />
gewalttätige Gruppen aufgebaut?<br />
Geht es ihnen bei der Ausübung von<br />
Gewalt immer nur um Macht <strong>und</strong><br />
Beute oder spielen auch andere Antriebskräfte<br />
eine Rolle? Ist die Gewalt<br />
nur Ausdruck spontaner Ausbrüche,<br />
quasi von blinder Wut? Oder folgt<br />
sie kalter Berechnung, wird sie kalkuliert<br />
eingesetzt <strong>und</strong> wenn ja, nach<br />
welchen Regeln?“<br />
Zur Beantwortung dieser Fragen – das<br />
haben bereits die Arbeiten des ersten<br />
Jahres gezeigt – ist es besonders<br />
wichtig, die Kommunikationsformen<br />
innerhalb der Gewaltgemeinschaften<br />
zu analysieren. „Auch sehen wir<br />
schon jetzt, dass Mobilität in den gewalttätigen<br />
Gruppen eine große Rolle<br />
spielte“, so Speitkamp. Im weiteren<br />
Verlauf will die Forschergruppe ihren<br />
Blick dann auch auf den Zerfall von<br />
Gewaltgemeinschaften <strong>und</strong> auf die<br />
Frage ausweiten, was nach dem Ende<br />
der Gewalt kommt.<br />
Die an der Forschergruppe beteiligten<br />
Wissenschaftlerinnen <strong>und</strong> Wissenschaftler<br />
arbeiten an den Universitäten<br />
Kassel, Gießen, Bochum,<br />
Erlangen <strong>und</strong> Siegen. Sie vertreten<br />
vor allem ein weites Spektrum historischer<br />
Disziplinen <strong>und</strong> Arbeitsfelder<br />
von der Alten <strong>und</strong> Mittelalterlichen<br />
bis zur osteuropäischen <strong>und</strong> afrika-<br />
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