Schroeder - 1998 - Lehrbuch der Pflanzengeographie
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36 Verbreitungsökologie<br />
werden. Diese ist zweischichtig: einer inneren,<br />
harten Schicht liegt eine stark turgeszente Epi<strong>der</strong>mis<br />
auf, die durch eine feste, elastische Kutikula<br />
zusammengepreßt wird. Durch zunehmenden<br />
Überdruck in <strong>der</strong> Epi<strong>der</strong>mis (angeblich bis<br />
18 bar) wird dann plötzlich <strong>der</strong> innere Teil des<br />
Samen herausgequetscht und durch die Spalten<br />
<strong>der</strong> geöffneten Kapsel ins Freie geschossen.<br />
Hierher gehört übrigens auch die Ausschleu<strong>der</strong>ung<br />
<strong>der</strong> Sporen aus den Farnsporangien<br />
durch den bekannten Kohäsionsmechanismus.<br />
Da die ausgeschleu<strong>der</strong>ten Samen oft klebrig<br />
sind, können sie leicht an Tieren, die die Explosion<br />
ausgelöst haben, hängenbleiben und von<br />
diesen weitertransportiert werden; in solchen<br />
Fällen wäre das Abschießen eigentlich eine beson<strong>der</strong>e<br />
Form <strong>der</strong> Bereitstellung von epizoochoren<br />
Kleb-Diasporen.<br />
Die Spannungen in den Früchten <strong>der</strong> Austrocknungsstreuer<br />
beruhen meist auf einer ungleichen<br />
Verformung verschiedener Gewebeschichten<br />
(z. B. infolge von Faserschicht-Kreu-<br />
Zungen) bei <strong>der</strong> Austrocknung <strong>der</strong> abgestorbenen<br />
Fruchtwand. Oft wird eine rasche Austrocknung<br />
bei Sonnenschein durch die dunlde Färbung<br />
<strong>der</strong> Frucht begünstigt. Es können hauptsächlich<br />
2 Mechanismen unterschieden werden,<br />
die man als „Rollschleu<strong>der</strong>“ und „Quetschschleu<strong>der</strong>“<br />
bezeichnen kann. Im ersten Fall rollen<br />
sich Teile <strong>der</strong> Fruchtwand blitzschnell zusammen,<br />
wodurch die daran sitzenden Samen<br />
fortgeschleu<strong>der</strong>t werden (z. B. Genista, Lotus,<br />
Sarothamnus, Vicia u. a. Leguminosen, Geranium)-,<br />
die Frucht selbst wird dabei oft völlig<br />
zerlegt (beson<strong>der</strong>s auffällig bei dem tropischen<br />
Euphorbiaceen-Baum H ura crepitans, dessen<br />
etwa faustgroße Kapsel mit lautem Knall in zahlreiche<br />
Teile zerspringt). Im zweiten Fall werden<br />
die meist sehr harten, glatten Samen durch ein<br />
eher langsames Zusammenpressen bestimmter<br />
Perikarpteile plötzlich aus <strong>der</strong> Frucht herausgequetscht<br />
(z. B. Viola, Buxus, Hamamelis).<br />
Zu den bei <strong>der</strong> Autoballochorie erreichten<br />
Schußweiten vgl. Tab. 11.<br />
Tab. 11; Maximale „Schußweiten“ autoballochorer<br />
Diasporen.<br />
Nach Hawksworth 1961 und Müller-Schnei<strong>der</strong> 1977.<br />
Art<br />
Cardamine parvijlora f 2<br />
Geranium columbinum 1,5<br />
Pika spruceana 1,7<br />
Cardamine impatiens 2,0<br />
Montia fontana 2,0<br />
Euphorbia helioscopia 2,0<br />
Corydalis sibirica 2,2<br />
Oxalis acetosella 2,3<br />
Viola arvensis 2,4<br />
Geranium sylvaticum 2,7<br />
Cyclanthera explodens 3,0<br />
Impatiens parvijlora 3,4<br />
Lathraea clandestina 4,0<br />
Mercurialis perennis 4,0<br />
Alstroemeria psittacina 4,0<br />
Viola riviniana 4,6<br />
Dorstenia contrayerva 5,0<br />
Geranium robertianum 6,0<br />
Impatiens glandulifera 6,3<br />
Lupinus digitatus 7,0<br />
Wisteria sinensis 9,0<br />
Acanthus mollis 9,5<br />
Arceuthobium vaginatum 12,6<br />
Ecballium elaterium 12,7<br />
Hura crepitans 14,0<br />
Baubinia purpurea 15,0<br />
Weite in m<br />
Autochorie<br />
Die eben besprochene Autoballochorie wird oft<br />
mit zur Autochorie gerechnet. Doch gibt hierbei<br />
die Pflanze selbst nur den Anstoß zum Transport;<br />
bei echter Autochorie fuhrt sie ihn auch<br />
durch. In <strong>der</strong> Literatur werden 2 Formen <strong>der</strong><br />
Autochorie unterschieden, <strong>der</strong>en erste jedoch<br />
wie<strong>der</strong> nur eine Kuriosität ist, die für die Ausbreitung<br />
<strong>der</strong> Diasporen keine praktische Bedeutung<br />
hat.<br />
Herpautochorie<br />
Hier bewegen sich die auf dem Boden liegenden<br />
Diasporen mit Hilfe hygroskopischer Grannen<br />
o<strong>der</strong> Haare, die meist noch mit einseitig<br />
ausgerichteten Wi<strong>der</strong>haken besetzt sind. Meist<br />
legen diese Organe sich bei Feuchtigkeit dicht<br />
an, beim Austrocknen spreizen sie ab o<strong>der</strong> biegen<br />
sich knieartig um. Bei häufigem Feuchtigkeitswechsel<br />
(durch allnächtlichen Tau) kann<br />
eine ständige Fortbewegung <strong>der</strong> Diaspore in einer<br />
Richtung resultieren. Die zurückgelegten<br />
Distanzen sind minimal; ein Nutzen für die<br />
Pflanze kann zuweilen darin bestehen, daß die<br />
Diasporen in eine für die Keimung günstige Lage<br />
gebracht werden (bei Erodium werden sie sogar<br />
durch den Fruchtschnabel in den Boden einge-