Schroeder - 1998 - Lehrbuch der Pflanzengeographie
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68 Einfluß des Menschen auf Flora und Vegetation<br />
material zu seiner Ernährung entnimmt o<strong>der</strong><br />
Diasporen an seinem Körper transportiert, handelt<br />
er nicht an<strong>der</strong>s als an<strong>der</strong>e tierische Lebewesen.<br />
Sowie er aber die Natur mit Hilfe vorgeplanter<br />
Handlungen verän<strong>der</strong>t (z. B. Waldrodung<br />
zum Zwecke des Ackerbaues, Beweidung<br />
von Wäl<strong>der</strong>n mit Herden gezähmter Haustiere,<br />
Transport von Diasporen mit Schiffen über<br />
Ozeane hinweg), hat sein Einfluß eine neue Dimension,<br />
und er ist als ein Agens sui generis<br />
außerhalb <strong>der</strong> natürlichen Standortsfaktoren<br />
anzusehen (vgl. S. 6 ).<br />
1 Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Vegetation<br />
In den meisten heute dichter besiedelten Teilen<br />
<strong>der</strong> Erde ist die natürliche Klimaxformation<br />
Wald. Da dieser zugleich <strong>der</strong> höchstdifferen-zierte<br />
Vegetationstyp ist, gehen wir bei <strong>der</strong> Darstellung<br />
<strong>der</strong> anthropogenen Verän<strong>der</strong>ungen zunächst<br />
vom Walde aus.<br />
Die Beeinflussung des Waldes geschieht auf<br />
zweierlei Weise. Durch Rodung wird er direkt<br />
beseitigt und durch Kulturpflanzen-Bestände,<br />
daneben auch durch Siedlungen, Wege u. ä. ±<br />
vegetationslose Flächen ersetzt. Nicht gerodete<br />
Waldbestände werden durch Waldnutzung verän<strong>der</strong>t.<br />
Historisch und weltweit gesehen handelt<br />
es sich dabei um vielseitige Nutzungen:<br />
neben dem H olzhau spielt vor allem die<br />
Beweidung durch Vieh eine große Rolle, daneben<br />
auch die Entnahme von Viehfutter, von<br />
Bodensubstanz u. a.; hinzu kommen an<strong>der</strong>e<br />
schädliche Einwirkungen, wie fahrlässig o<strong>der</strong><br />
absichtlich verursachte Brände. Neben <strong>der</strong> direkten<br />
Schädigung behin<strong>der</strong>n alle diese Einflüsse<br />
vor allem die Verjüngung. Dauern sie längere<br />
Zeit an, so führen sie zur Verschlechterung des<br />
Waldzustandes und schließlich zur W aldverwüstung,<br />
die gewöhnlich in folgen<strong>der</strong> Form<br />
als absteigende Sukzession vor sich geht:<br />
Schattholzwald (Klimax)<br />
Lichtholzwald (Subklimax)<br />
nL<br />
Offenwald,Gebüsch<br />
Nichtphanerophyten-Vegetation<br />
nL<br />
Vegetationsloser Mineralboden.<br />
Wie weit diese Sukzession im Einzelfall fortschreitet,<br />
hängt einerseits von Art, Intensität und<br />
Dauer <strong>der</strong> Nutzungen ab, an<strong>der</strong>erseits von <strong>der</strong><br />
standortsbedingten Stabilität des Ökosystems.<br />
Das Zusammenwirken bei<strong>der</strong> Eingriffsformen,<br />
Rodung und Waldnutzung, hat dazu geführt,<br />
daß in vielen Erdgegenden, die von Natur<br />
aus bewaldet sind, <strong>der</strong> Wald heute nur noch<br />
einen kleineren Teil <strong>der</strong> Gesamtfläche bedeckt.<br />
Das bedeutet zugleich eine starke Diversifiziemng<br />
(und damit Bereicherung) <strong>der</strong> Vegetationsdecke.<br />
Vor Beginn wirksamer menschlicher<br />
Eingriffe, in <strong>der</strong> Naturlandschaft, gab es (abgesehen<br />
von Extrem- und Son<strong>der</strong>standorten) nur<br />
die Klimax-Waldgesellschaft und Stadien ihrer<br />
Verjüngungssukzession. Nachher, in <strong>der</strong> Kulturlandschaft,<br />
finden sich dann nebeneinan<strong>der</strong><br />
• die Klimaxgesellschaft (räumlich und qualitativ<br />
eingeschränkt)<br />
• Sukzessionsstadien (vermehrt und ausgeweitet)<br />
• neue, anthropogene Vegetationstypen<br />
• vegetationsfreie Flächen (= anthropogene<br />
Wüsten).<br />
Es existieren also im gleichen Wuchsraum Flächen<br />
mit Vegetation von sehr unterschiedlicher<br />
„Naturnähe“ Seite an Seite; dabei zeigen auch<br />
die als anthropogen zusammengefaßten Vegetationstypen<br />
(Ersatzgesellschaften) untereinan<strong>der</strong><br />
noch große Unterschiede bezüglich ihrer Verwandtschaft<br />
mit <strong>der</strong> Klimaxvegetation. Es hat<br />
daher nicht an Versuchen gefehlt, den Grad <strong>der</strong><br />
Natürlichkeit <strong>der</strong> Vegetation (bzw. allgemein des<br />
Standortes) zu klassifizieren. Die bekannteste<br />
<strong>der</strong>artige Klassifikation arbeitet mit dem Begriff<br />
<strong>der</strong> Hemerobie, worunter die integrierte Wirkung<br />
aller direkten und indirekten menschlichen<br />
Einflüsse verstanden wird. Gewöhnlich unterscheidet<br />
man 6 H em erobiegrade (Tab. 16).<br />
Dieses System wurde in Europa entwickelt und<br />
bisher auch nur hier benutzt; es läßt sich aber<br />
problemlos auch weltweit anwenden.<br />
Während oligohemerobe Standorte nur leichte<br />
quantitative Verän<strong>der</strong>ungen im Rahmen <strong>der</strong><br />
Klimaxvegetation zeigen, liegen bei den höheren<br />
Hemerobiegraden meist Vegetationstypen<br />
vor, die ganz an<strong>der</strong>en Formationen angehören.<br />
Die stark verän<strong>der</strong>ten Standortsbedingungen<br />
(z. B. fehlende Beschattung) im meso- und euhemeroben<br />
Bereich führen zu einer Auslese im<br />
Pflanzenbestand <strong>der</strong> natürlichen Vegetation:<br />
empfindlichere Sippen, die Hemerophoben,