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Schroeder - 1998 - Lehrbuch der Pflanzengeographie

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Än<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> Pflanzenverbreitung 73<br />

heute ein großer Teil <strong>der</strong> Arten akut gefährdet.<br />

Der Grund für die unterschiedliche Gefährdung<br />

von Tieren und Pflanzen ist leicht einzusehen:<br />

die Gesamt-Individuenzahl einer Art ist bei Säugern<br />

und Vögeln im Durchschnitt um Zehnerpotenzen<br />

kleiner, das zum Überleben notwendige<br />

„Revier“ um Zehnerpotenzen größer als bei<br />

höheren Pflanzen. (Die benötigte Grundfläche<br />

pro Individuum liegt selbst bei einem 100 m<br />

hohen Mammutbaum in <strong>der</strong> Größenordnung<br />

von m’^, bei Großsäugern und Vögeln hingegen<br />

von ha, ja km^.) Theoretisch läßt sich leicht Vorhersagen,<br />

welcherart Pflanzensippen in beson<strong>der</strong>em<br />

Maße gefährdet sein dürften: es sind solche<br />

mit extrem kleinem Areal, und solche mit<br />

zwar größerem Areal, aber sehr geringer Arealausfüllung.<br />

Also einerseits konkurrenzschwache<br />

„Endemiten“, an<strong>der</strong>erseits ökologische Spezialisten<br />

mit sehr enger Standortsamplitude (beide<br />

Gmppen sind übrigens auch bei natürlichen<br />

Umweltverän<strong>der</strong>ungen stark gefährdet). Dementsprechend<br />

ist <strong>der</strong> Anteil gefährdeter Arten<br />

in endemitenreichen Gebieten beson<strong>der</strong>s hoch:<br />

für die Hawaii-Inseln werden 50 % angegeben<br />

(SuKOPP etc. 1976), für Südafrika 20 % (Hall etc.<br />

1984, D avis etc. 1986). Demgegenüber ist <strong>der</strong><br />

Prozentsatz in Mitteleuropa praktisch Null.<br />

Die letzte Aussage steht nur scheinbar im Wi<strong>der</strong>spruch<br />

zu den Angaben in den Roten Listen. Diese beziehen<br />

sich allein auf den Status <strong>der</strong> darin genannten Arten<br />

im jeweiligen Florengebiet. Bei vielen Laien haben sie<br />

jedoch zu Mißverständnissen geführt, indem die Gefährdungskategorien<br />

als absolut verstanden wurden;<br />

das gilt beson<strong>der</strong>s für den den Anschein <strong>der</strong> Endgültigkeit<br />

erweckenden Begriff des „Aussterbens“. Wenn<br />

in Nie<strong>der</strong>sachsen (Tab. 17) 10,1 % <strong>der</strong> Arten „vom<br />

Aussterben bedroht“ sind, dann drückt das die Befürchtung<br />

aus, daß diese Arten wohl aus <strong>der</strong> Flora<br />

Nie<strong>der</strong>sachsens verschwinden werden; vom tatsächlichen<br />

Aussterben als Art ist jedoch keine von ihnen<br />

bedroht. Sachlich wäre es wohl adäquater, statt von<br />

Aussterben von Verschwinden zu sprechen; die Beibehaltung<br />

des emotionsträchtigen Wortes Aussterben<br />

hat allein politische Gründe. Näheres zu <strong>der</strong> durch<br />

die Roten Listen dokumentierten Florenverarmung in<br />

Mitteleuropa vgl. S. 405.<br />

Wie viele Pflanzenarten weltweit tatsächlich<br />

existenzgefährdet sind, läßt sich schwer schätzen.<br />

Die Internationale Union für Naturschutz<br />

rechnet mit etwa 10 % <strong>der</strong> Gefäßpflanzen, d. h.<br />

ca. 25000 Arten (Sukopp etc. 1976). Nachweisbar<br />

sind solche Zahlen nicht: sie können in<br />

Wirklichkeit viel niedriger, aber auch erheblich<br />

höher sein. In <strong>der</strong> endemitenarmen und zugleich<br />

floristisch gut erforschten Holarktis kommen nur<br />

einige 100 deutlich vom Aussterben bedrohte<br />

Arten zusammen; in <strong>der</strong> südlichen gemäßigten<br />

Zone liegt die Zahl wahrscheinlich höher. Ganz<br />

unübersichtlich ist die Situation aber in den<br />

Tropen, denn viele tropische Gebiete sind<br />

taxonomisch noch sehr ungenügend erforscht.<br />

Man kennt hier noch nicht einmal die Arten<br />

richtig - umso weniger kann man Aussagen<br />

machen über ihre Areale o<strong>der</strong> eine eventuelle<br />

Gefährdung. Nur indirekt legt die Zerstörung<br />

immer größerer Teile <strong>der</strong> tropischen Wäl<strong>der</strong> die<br />

Befürchtung nahe, daß dadurch auch viele Arten<br />

verloren gehen dürften.<br />

Abschließend seien hier noch einige Beispiele<br />

von tatsächlich erfolgtem bzw. kurz bevorstehendem<br />

Aussterben besprochen.<br />

Santalum fernandezianum. Chilenischer Sandelholzbaum.<br />

Endemit <strong>der</strong> nur 185 km^ großen Juan-Fernändez-Inseln,<br />

spielte dort früher in <strong>der</strong> Waldvegetation<br />

eine wichtige Rolle. Wegen seines wertvollen Holzes<br />

wurde er im 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t vollständig<br />

exploitiert und gilt seit über 100 Jahren als ausgestorben.<br />

Abies nebrodensis, Sizilianische Tanne. Endemit <strong>der</strong><br />

Gebirgshochlagen in Nordsizilien westlich des Ätna.<br />

Durch die seit vielen Jahrhun<strong>der</strong>ten andauernde Waldverwüstung<br />

extrem dezimiert, so daß heute nur noch<br />

wenige Einzelexemplare vorhanden sind. Neuerdings<br />

forstliche Versuche zur Rettung, aber bisher wenig erfolgreich.<br />

Saxifraga oppositifolia ssp. amphibia, Bodensee-Steinbrech.<br />

Dieser morphologisch etwas abweichende Ökotyp<br />

<strong>der</strong> arktisch-alpin weit verbreiteten Art hat sich<br />

wohl im Umkreis <strong>der</strong> Eiszeit entwickelt. Früher an<br />

flachen, steinigen Ufern des Bodensees und einiger<br />

benachbarter Seen vorkommend, wurde er durch Eutrophierung<br />

und mechanische Beschädigung weitgehend<br />

vernichtet; heute nur noch 1 Fundort bekannt<br />

(eines <strong>der</strong> wenigen Beispiele für das wirkliche Aussterben<br />

einer Sippe in Mitteleuropa).<br />

Castanea dentata. Amerikanische Edelkastanie. Im<br />

Gegensatz zu den bisher genannten, typisch „endemitischen“<br />

Sippen handelt es sich hier um den seltenen<br />

Fall, daß eine Art mit weiter Verbreitung und teils<br />

dominieren<strong>der</strong> Stellung in <strong>der</strong> Vegetation so gut wie<br />

ausgerottet wurde. Castanea dentata war eine <strong>der</strong><br />

Hauptbaumarten auf ärmeren Böden in einem großen<br />

Teil <strong>der</strong> ost-nordamerikanischen Sommerwaldregion<br />

(vgl. S. 264). Mit Jungpflanzen <strong>der</strong> verwandten<br />

japanischen Art C. crenata, die um 1900 in den botanischen<br />

Garten New York gelangten, wurde <strong>der</strong> parasitische<br />

Pilz Endothia parasitica nach Amerika eingeschleppt,<br />

gegen den C. crenata zwar resistent ist, nicht<br />

aber C. dentata. Von New York ausgehend, breitete<br />

Endothia sich epidemisch aus, und schon gegen Ende

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