Gesamtkonzept zur Soziotherapie - AHG Allgemeine ...
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2 <strong>Allgemeine</strong> Grundlagen<br />
2.1 Was ist <strong>Soziotherapie</strong>?<br />
Es sind viele kleine alltägliche Schritte, die erfolgreiches Handeln in der <strong>Soziotherapie</strong><br />
ausmachen. Worum geht es dabei? <strong>Soziotherapie</strong> fördert nach Dörner und<br />
Plog (1978)<br />
„... die normalen, regelhaften, allgemeinen, alltäglichen, gesunden, nicht an Krankheit gebundenen,<br />
d.h. freien Anteile eines Individuums."<br />
„In dem Maße, in dem ein Patient in unbestimmten, in allgemeinen, d.h. auch in informellen Situationen<br />
seine Reaktionen auf Anforderungen aus dem Alltag, auf Regeln, auf Normales, Banales<br />
kennen und überprüfen lernen kann, in dem Maße findet <strong>Soziotherapie</strong> statt."<br />
<strong>Soziotherapie</strong> hat sich ursprünglich auf der Grundlage und innerhalb der Grenzen<br />
von psychiatrischer Versorgung entwickelt. Erste gezielte psychiatrische Betreuungsmaßnahmen,<br />
die unter diesen Begriff „<strong>Soziotherapie</strong>" zu subsummieren wären,<br />
sind ca. 200 Jahre alt. Bis dahin wurden „allgemeingefährliche" und „gewalttätige"<br />
Geisteskranke von Staats wegen ausgesondert, ihre „Behandlung" bestand<br />
im Wegschließen, Misshandeln und ähnlichen Maßnahmen.<br />
In der Umbruchsituation des ausgehenden 18. Jahrhunderts, im Zeitalter Rousseaus,<br />
im „Jahrhundert der Vernunft" und mit der einsetzenden Institutionalisierung<br />
der Psychiatrie (die sogenannte „humane Revolution in der Psychiatrie")<br />
haben sich Vorstellungen und Handlungsansätze entwickelt, die auf eine humanere<br />
und damit effektivere Behandlung von Geisteskrankheit abzielten.<br />
In Frankreich, Amerika und vor allem England widmete man sich mit großem<br />
Eifer der sogenannten „moralischen Behandlung". Darunter verstand man eine<br />
Lebensform für geistig Behinderte, frei von würdelosen und unmenschlichen<br />
Strukturen. In einer Abhandlung der amerikanischen Psychiatriegeschichte wurde<br />
diese Form als<br />
„... organisiertes Zusammenleben in der Gruppe (beschrieben), bei dem durch die Einbeziehung und<br />
die Kontinuität von Arbeit, Spiel und gemeinsamen Unternehmungen das Leben insgesamt als sinnvoll<br />
erfahren wird und so alle Voraussetzungen dafür gegeben sind, dass der Einzelne neuen Lebensmut<br />
und neue Lebensfreude erwirbt" (Bockoven, 1963).<br />
Dieser Ansatz geriet jedoch mehr und mehr in Vergessenheit. Die fortschreitende<br />
Industrialisierung und die damit einhergehenden äußeren und inneren Strukturveränderungen<br />
der Nervenheilanstalten, die Missdeutung der Darwinschen Theorien<br />
und anderes mehr mögen die Gründe dafür gewesen sein. Eine rein naturwissenschaftliche<br />
Sicht- und Vorgehensweise gewann zunehmend an Boden. Der<br />
Mensch als Objekt - aus seinen Lebenszusammenhängen genommen - präsentiert<br />
der Medizin seine kranken Anteile <strong>zur</strong> Diagnose, Behandlung und Heilung.<br />
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