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Gesamtkonzept zur Soziotherapie - AHG Allgemeine ...

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Mit dem Aufkommen der Sozialwissenschaften, aber auch der Entwicklung der<br />

Psychoanalyse und anderer Therapieformen, vollzog sich allmählich ein Einstellungswandel.<br />

Die Soziologie widmete sich der Betrachtung sozialer Prozesse,<br />

dem, was sich zwischen den Menschen abspielt. „Krankheit" wurde jetzt in viel<br />

komplexeren Bedeutungszusammenhängen gesehen. Der Mensch in seiner Rollenvielfalt,<br />

in seiner sozialen Abhängigkeit und Beeinflussbarkeit, der Einfluss<br />

von Umwelt-, Lebens- und Arbeitsbedingungen auf das gesundheitliche Wohlbefinden<br />

wurde Gegenstand zahlreicher Untersuchungen. Auch das Krankenhaus<br />

konnte nun als Einheit betrachtet werden, in dem eine Vielzahl von Menschen -<br />

Patienten, Ärzte, Personal etc. - zusammen lebten, arbeiteten und sich gegenseitig<br />

beeinflussten. Begriffe wie „Rolle", „Kommunikation" und „Identität" kamen auf<br />

und wurden Allgemeingut.<br />

Für die Entwicklung soziotherapeutischer Theorie und Praxis war das aufkommende<br />

soziologische Interesse natürlich von besonderer Bedeutung, war doch Rehabilitation<br />

nur unter primär soziologischer und nicht rein medizinischer Vorgehensweise<br />

effektiv möglich. Mit der „moralischen Behandlung" von Philippe Pinel,<br />

der auch als Folge der Freiheitsideen der französischen Revolution 1798 in<br />

der Pariser Salpetriere seinen Kranken die Ketten abnahm, mit John Conollys „no<br />

restraint-Bewegung", der in seiner Anstalt 1839 alle mechanischen Zwangsmittel<br />

abschaffte (Conolly, 1856), mit Beils „offenen Türen", der Einführung der Arbeitstherapie<br />

in den 20er Jahren durch Hermann Simon in Gütersloh sind nur einige<br />

interessante soziotherapeutische Modelle genannt, über die der Versuch unternommen<br />

wurde, aus konservativen Denk- und Behandlungsschablonen psychiatrischer<br />

Krankenhäuser auszubrechen und Rehabilitation unter einem wesentlich erweiterten<br />

Bezugsrahmen zu sehen.<br />

Die „therapeutische Gemeinschaft", in den 40er Jahren in England durch Main<br />

(1946) entwickelt und später von Maxwell Jones (1976) übernommen und weiter<br />

ausgeformt, stellt in der Geschichte der <strong>Soziotherapie</strong> etwas Besonderes dar. Hier<br />

wurden zum ersten Mal innerhalb rigider Klinikstrukturen vorrangig und konsequent<br />

soziotherapeutische Praktiken und Einstellungen angewendet und gelebt. Im<br />

Rahmen der Versorgung seelisch stark beeinträchtigter ehemaliger Soldaten im<br />

Northfield Hospital, Birmingham, kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, schuf Main<br />

mit Psychoanalytiker-Kollegen diese neue Behandlungsform, von der er sagte,<br />

dass<br />

„ ... das Experiment von Northfield der Versuch ist, ein Krankenhaus nicht als eine von Ärzten im<br />

Interesse ihrer eigenen größeren technischen Effizienz geleitete Organisation zu nutzen, sondern als<br />

eine Gemeinschaft mit dem unmittelbaren Ziel der vollen Beteiligung aller ihrer Mitglieder an<br />

ihrem täglichen Leben und im Endziel der Resozialisation der neurotischen Menschen auf das<br />

Leben in der normalen Gesellschaft hin" (Main, 1946).<br />

Nach Aussagen zeitgenössischer Beobachter zeichnete sich dieses Modell durch<br />

„Demokratisierung, Permissivität, Kommunikation und Konfrontation mit der<br />

Realität" (Caudill et al., 1970) aus. Die übliche institutionelle Rollen- und Aufgabenverteilung<br />

wurde aufgelöst, die Patienten in die Mitverwaltung des Alltagsablaufes<br />

der einzelnen Abteilungen gleichberechtigt und vorrangig mit einbezogen.<br />

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