Gesamtkonzept zur Soziotherapie - AHG Allgemeine ...
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Einrichtungen", da eine Psychotherapeutisierung des gesamten Behandlungssettings<br />
im Klinikalltag wirklichkeitsfremd, alltagsfern und deshalb nicht hilfreich<br />
und fördernd ist.<br />
Bosch (1967) versteht <strong>Soziotherapie</strong> als Lernprozess. Er sieht <strong>Soziotherapie</strong><br />
geradezu „spiegelbildlich" <strong>zur</strong> Psychotherapie. Hier gewollte Realitätsferne, um<br />
frei von sozialen Normen ungehindert und in permissiver Atmosphäre das ausprobieren,<br />
ausleben und erkennen können, was sonst undenkbar ist, dort gewollte<br />
Realitätsnähe, Hervorhebung und Förderung der gesunden Anteile der Betreffenden.<br />
Kranke Anteile werden nicht verdrängt, aber auch nicht besonders betont.<br />
Während in der Gruppenpsychotherapie die Beziehungsdynamik im Vordergrund<br />
der Arbeit steht, ist die Gruppenarbeit soziotherapeutischer Herkunft grundsätzlich<br />
sachbezogen. Hier soll gelernt und geübt werden, gefühlsmäßige Anspannung zu<br />
bewältigen, ohne auf alte Krankheitsmuster <strong>zur</strong>ückgreifen zu müssen. Bei allzu<br />
starker Zurückhaltung oder Hemmung des Patienten, sich zu äußern oder an bestimmten<br />
Aktivitäten teilzunehmen, steht für den Soziotherapeuten nicht die Verhaltensinterpretation<br />
des Patienten im Vordergrund, sondern der Versuch, ihn<br />
unter Anknüpfung an früher vorhandene Kompetenzen, unter Nutzung seiner aktuell<br />
aktivierbaren Potenziale und Ressourcen, zum Handeln und zum Mitmachen<br />
zu animieren. Dabei steht nicht das Herausarbeiten pathologischer Verhaltensweisen<br />
im Vordergrund, sondern die Förderung konkreter selbstwertsteigernder und<br />
selbstwertstabilisierender Bewältigungserfahrung durch erfolgreiche handlungsorientierte<br />
Erledigung vorgegebener (kleinerer) Aufgaben oder Ämter, das Überwinden<br />
von Schwierigkeiten und Bewältigen bestimmter Stimmungen oder Situationen.<br />
<strong>Soziotherapie</strong>, als „Lernen am Ernstfall" (Dörner und Plog 1978), als „Anpassung<br />
an die Realität der Umwelt" (Bosch, 1967) muss letztendlich als Hineinwachsen<br />
in den Alltag und Bewältigung von Alltäglichem außerhalb jeglicher<br />
Krankenhaus- und Betreuungsstrukturen verstanden werden. Bei Patienten mit<br />
schweren geistigen und psychischen Beeinträchtigungen kann dies natürlich nur in<br />
abgestuften Schritten geschehen.<br />
2.2 Bewohnerprofil<br />
In unseren soziotherapeutischen Einrichtungen werden alkohol- und medikamentenabhängige<br />
Frauen und Männer betreut, die über ihre meist jahrzehntelange Abhängigkeitserkrankung<br />
hinaus einen hohen Grad an Komorbidität (Kreuels und<br />
Tazl, 1999) aufweisen. Sie haben ein nicht nur vorübergehendes Ausmaß an körperlicher,<br />
seelischer oder geistiger Behinderung, so dass sie mittelfristig oder auch<br />
dauerhaft nicht in der Lage sind, allein ohne stationäre Betreuung zu leben und am<br />
gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.<br />
Die soziodemographischen Merkmale (s. Anhang 1) unserer Bewohner (Stichtagserhebung<br />
31.12.1998; n=558) wie geringe familiäre Bindung, niedriger Bil-<br />
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