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Preproceedings 2006 - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Es gibt keinen Dissens, es gibt nur schlechte Interpretation. Interkultureller Dialog und Dissens - Kathrin Hönig<br />

Ursache gemäss ihren eigenen Wertmassstäben. „As an<br />

interpreter, I can do no better at the start than to suppose<br />

that a belief someone else is caused to have is he same<br />

belief as a belief of mine that has the same cause.”<br />

(Davidson 1986, 69) Mit anderen Worten: Von dem, was<br />

ich will, dass es wahr sei, werde ich annehmen, dass es<br />

bei anderen die gleiche evaluative Einstellung des<br />

Wollens-dass-es-wahr-sei hervorrufe. Die Berechtigung zu<br />

dieser Annahme liegt gemäss Davidson in der Objektivität<br />

von Werten begründet, auf die ich hier nicht eingehen<br />

kann (vgl. Davidson 1995).<br />

Während bei der Identifikation von Überzeugungen,<br />

d.h. bei der Rekonstruktion dessen, was eine Sprecherin<br />

für wahr hält, der Druck des Nachsichtigkeitsprinzips auf<br />

Einigkeitsmaximierung relativ groß ist und nur wenig oder<br />

wenigstens keine substantiellen Abweichungen duldet von<br />

dem, was die Interpretin selbst für wahr und konsistent<br />

hält, ist dieser Druck hinsichtlich dessen, was sie<br />

wertschätzt, weniger groß. Bei der Präferenzzuschreibung,<br />

meint Davidson, seien größere Differenzen zwischen dem,<br />

was die Interpretin für wertvoll hält, und dem, was sie der<br />

anderen Person als deren Präferenzen zuschreibt, möglich<br />

(Davidson 1986, 72). Dies ist die Stelle, wo man mit der<br />

Frage nach der Möglichkeit von Dissens in Davidsons<br />

Ansatz einhaken kann.<br />

Wie erläutert erfolgt die Zuschreibung einer<br />

Überzeugung, dass p, über die Einstellung des Für-wahr-<br />

Haltens von p. Die Zuschreibung einer Präferenz für p<br />

erfolgt über die Einstellung des Wollens-dass-p-wahr-sei.<br />

Ich meine, dass in der Differenz zwischen glauben-dass-pwahr-ist<br />

und wollen-dass-p-wahr-sei der Spielraum liegt,<br />

der nötig ist, um die Möglichkeit von echtem Dissens<br />

plausibel zu machen. Davidson weist selbst darauf hin,<br />

dass der Interpretationsvorgang mit der Einführung der<br />

dritten Variable, der Präferenzvariable, sehr komplex<br />

geworden ist (vgl. Davidson 1986, 71). Die Interdependenz<br />

der drei Variablen zusammen mit dem Holismus des<br />

Mentalen und der inferenziellen Struktur der Sprache<br />

führen dazu, dass es unter Umständen mehr als nur eine<br />

mit der Gesamtheit der Belege übereinstimmende<br />

Interpretation geben kann (vgl. Davidson 1995, 50). „Given<br />

the multiplicity of considerations, it is inevitable that<br />

different considerations will often favor different<br />

interpretations. Remembering that the underlying policy of<br />

interpretation requires us to choose an interpretation that<br />

matches the other’s beliefs and desires to our own as far<br />

as possible, the conflict in considerations means that we<br />

have come across a recalcitrant case. Making a fair fit<br />

elsewhere perhaps forces us here to interpret a sentence<br />

the other holds true and wants true by one we hold true<br />

while hating that we must.” (Davidson 1986, 71f)<br />

Davidson bestreitet also keineswegs, dass es<br />

Differenzen in bezug auf Normen oder Werte geben kann,<br />

auch wenn man sich versteht (Davidson 1995, 50). Aber er<br />

ist der Meinung, dass basale Werte eine Tendenz zum<br />

Konvergieren haben (Davidson 1995, 49). Stellt man eine<br />

Uneinigkeit hinsichtlich eines basalen Wertes fest, so sollte<br />

man sich laut Davidson stets fragen, ob man die Person<br />

tatsächlich richtig interpretiert hat. Im Zweifelsfalle kann<br />

und sollte man die Bedeutung ihrer Worte<br />

uminterpretieren, wenn sich dadurch die Einigkeit in bezug<br />

auf Werte maximieren lässt (vgl. Davidson 1974, 279;<br />

1995, 48,50). Dies ist Davidsons Form des<br />

Dissensmanagements.<br />

Literatur<br />

Davidson, Donald 1973 „Radikale Interpretation“, in: ders.,<br />

Wahrheit und Interpretation, Frankfurt/M: Suhrkamp 1990, 183-<br />

203.<br />

Davidson, Donald 1974 “Was ist eigentlich ein Begriffsschema?”,<br />

in: ders., Wahrheit und Interpretation, Frankfurt/M: Suhrkamp 1990,<br />

261-282.<br />

Davidson, Donald 1980 „Towards a unified theory of meaning and<br />

action“, Grazer Philosophische Studien 11, 1-12.<br />

Davidson, Donald 1984 „Expressing evaluations“,in: ders.,<br />

Problems of Rationality, Oxford: Clarendon Press 2004, 19-37.<br />

Davidson, Donald 1986 „The interpersonal comparison of values“,<br />

in: ders., Problems of Rationality, Oxford: Clarendon Press 2004,<br />

59-74.<br />

Davidson, Donald 1989 „Externalisierte Erkenntnistheorie“, in:<br />

ders., Der Mythos des Subjektiven. Philosophische Essays,<br />

Stuttgart: Reklam 1993, 65-83.<br />

Davidson, Donald 1995 “The objectivity of values”, in: ders.,<br />

Problems of Rationality, Oxford: Clarendon Press 2004, 39-57.<br />

Habermas, Jürgen 2003 „Kulturelle Gleichbehandlung – und die<br />

Grenzen des Postmodernen Liberalismus“, Deutsche Zeitschrift für<br />

Philosophie 51, 367-394.<br />

Simon, Josef 1995 „Vorwort“, in: ders. (ed.) Distanz im Verstehen.<br />

Zeichen und Interpretation II, Frankfurt/M: Suhrkamp, 9-17.<br />

<strong>Wittgenstein</strong>, <strong>Ludwig</strong> 10 1995 „Philosophische Untersuchungen“, in:<br />

ders. Tractatus logico-philosophicus. Werkausgabe Band I,<br />

Frankfurt/M: Suhrkamp, 225-580.

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