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Preproceedings 2006 - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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sein [muss]“(TB 24.7.16), so wie es in den Tagebüchern<br />

heißt. Wie soll man diese Einsicht verstehen?<br />

<strong>Wittgenstein</strong> geht davon aus, dass die Welt in sich<br />

logisch strukturiert sein muss. In Anlehnung an der alten<br />

metaphysischen Behauptung, dass selbst Gott in der<br />

Schöpfung rational vorgegangen ist, behauptet<br />

<strong>Wittgenstein</strong>: „Wir könnten nämlich von einer ‚unlogischen<br />

Welt‘ nicht sagen, wie sie aussähe.“(3.031) Die<br />

traditionelle Ansicht wird allerdings umgedeutet, indem der<br />

Akzent auf die Logik gelegt wird. Es wäre mindestens<br />

genauso möglich, dass die Metaphysik Vorrang hätte und<br />

die Logik bedingte. Das sperrgedruckte Verb „sagen“ in<br />

diesem Zitat soll vermutlich darauf hinweisen, dass die<br />

Rationalität der Welt sich in der Sprache ausdrückt, aber<br />

darüber hinaus, dass die Logik die Welt antizipiert. Es ist<br />

klar, dass der Tractatus keine Theorie der Erfahrung im<br />

Sinne Hermann Cohen postuliert, sondern er weist jede a<br />

priori Bestimmung einer immanenten Ordnung der Welt<br />

(5.634) zurück. Allerdings setzt die Logik eine andere Art<br />

von Erfahrung voraus, nämlich „daß etwas ist, aber das ist<br />

eben keine Erfahrung.“(5.552) Die Logik des Tractatus ist<br />

gewissermaßen eine Logik der Tatsache, sie ermöglicht<br />

nicht nur das Sagen und den sprachlichen Ausdruck,<br />

sondern die ontologische Struktur der Welt als solche Der<br />

logische Raum enthält in sich alle möglichen<br />

Kombinationen der Gegenstände, alle denkbare Welten:<br />

„Die Logik erfüllt die Welt; die Grenzen der Welt sind auch<br />

ihre Grenzen.“(5.61)<br />

Wenn wir wieder die oben gegebene allgemeine<br />

Definition der Transzendentalphilosophie aufgreifen, lässt<br />

sich einsehen, inwiefern die Umformung der kantischen<br />

Philosophie im Tractatus wenig zur Debatte über die<br />

Zukunft dieser Denkungsart beitragen kann. Nach der<br />

Definition sind zwei die zentrale Elemente der<br />

Transzendentalität: (i) die Ermöglichung und (ii) was in der<br />

faktisch ermöglichte Sphäre lokalisiert wird. Bezüglich der<br />

Ermöglichung ist nicht nur entscheidend, dass die<br />

ermöglichende Instanz eine a priori Bedingung ist,<br />

sondern, muss man genauer bestimmen, wie diese<br />

Ermöglichung geschieht. Es ist kein Zufall, dass der<br />

Tractatus genau über diese Problematik schweigt. Nicht<br />

nur die semantische Beziehungen der Sprache zur Welt,<br />

sondern auch die logische Strukturierung der Welt<br />

gehören dem Bereich des Unsagbaren. Die Deutung, dass<br />

die Transzendentalität der Logik gewissermaßen in ihrer<br />

Transzendenz auch liegt, begreift den zweideutigen Ort im<br />

Philosophieren.<br />

Literatur<br />

Bachmaier, Peter., 1978 <strong>Wittgenstein</strong> und Kant, Versuch zum<br />

Begriff des Transzendentalen, Bern.<br />

Carruthers, Peter, 1990 The Metaphysics of the Tractatus,<br />

Cambrigde University Press.<br />

Hintikka J.; Hintikka, M., 1996 Untersuchungen zu <strong>Wittgenstein</strong>,<br />

Übers. Von Joachim Schulte, Suhrkamp.<br />

22<br />

Der Vorrang der Logik vor der Metaphysik bei <strong>Wittgenstein</strong> - Thiago Aquino

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