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Preproceedings 2006 - Austrian Ludwig Wittgenstein Society

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Der Beitrag einer „Logik der Philosophie“ zum Verständnis des<br />

Dialogs der Kulturen<br />

Peter Oberhofer, University of Vienna, Austria<br />

Die Absicht der folgenden Ausführungen ist es, die von<br />

Eric Weil stammende Idee einer „Logik der Philosophie“<br />

(Weil 2 1996) systematisch aufzugreifen und für die Klärung<br />

von Möglichkeiten und Grenzen eines weltanschaulichen<br />

Dialogs zwischen den Kulturen fruchtbar zu machen. Im<br />

ersten Teil soll gezeigt werden, was unter einer „Logik der<br />

Philosophie“ zu verstehen ist und inwiefern sie rechtmäßig<br />

den Anspruch erheben kann, „Erste Philosophie“ zu sein.<br />

Im zweiten Teil wird ein kurzer Ausblick gegeben, wie eine<br />

Logik der Philosophie auf die kulturell verankerte<br />

Dialogsituation zwischen Weltanschauungen ein neues<br />

Licht zu werfen vermag.<br />

1. Eine „Logik der Philosophie“ als Erste<br />

Philosophie<br />

Der von einer Logik der Philosophie erhobene Anspruch,<br />

Erste Philosophie zu sein, soll uns als Ausgangspunkt<br />

dafür dienen, die Grundzüge einer Logik der Philosophie in<br />

einer Auseinandersetzung mit der Metaphysik/Ontologie<br />

(als der traditionellen Form von Erster Philosophie) auf<br />

systematische Weise zu entwickeln. Der genannte<br />

Anspruch geht aus einer zusammenfassenden Bemerkung<br />

Weils hervor: „Die Erste Philosophie ist also keine Theorie<br />

des Seins, sondern die Entwicklung des logos, des<br />

Diskurses, für sich selbst und durch sich selbst, in der<br />

Wirklichkeit der menschlichen Existenz, die sich in ihren<br />

Verwirklichungen versteht, insofern sie sich verstehen will.<br />

Sie ist nicht Ontologie, sie ist Logik, nicht des Seins,<br />

sondern des konkreten menschlichen Diskurses, der<br />

Diskurse, die den Diskurs in seiner Einheit bilden.“ (Weil<br />

2 1996, 69; übers. v. PO) Mit der hier angesprochenen<br />

Ersten Philosophie als einer Logik des konkreten<br />

menschlichen Diskurses ist die „Logik der Philosophie“<br />

selbst gemeint. Inwiefern ist es aber überhaupt nur<br />

denkbar, dass eine Logik des konkreten menschlichen<br />

Diskurses das Erbe der Metaphysik als Erster Philosophie<br />

antreten kann? Ist mit der metaphysischen Frage nach<br />

dem Seienden als Seienden, d.h. nach dem Sein des<br />

Seienden, nicht das Fundamentalniveau des<br />

philosophischen Fragens schon erreicht? Kann denn Erste<br />

Philosophie etwas anderes sein als die metaphysische<br />

„Grund- und Gesamtwissenschaft“ (Coreth 1994, 20)?<br />

Die Fundamentalität und Universalität der<br />

metaphysischen Frage liegt in der begrifflichen Eigenart<br />

von „Sein“ begründet. Ein gewöhnlicher, empirischer<br />

Begriff wird so gebildet, dass von den konkreten<br />

Differenzen, die zwischen den Dingen herrschen, die unter<br />

einen gemeinsamen Begriff gebracht werden sollen,<br />

abstrahiert wird, um derart eine Allgemeinheit aussagen zu<br />

können. Im Falle der empirischen Begriffsbildung gilt<br />

deshalb: Je allgemeiner ein Begriff, desto abstrakter, d.h.<br />

desto inhaltsleerer. Im Gegensatz dazu hat der Begriff des<br />

Seins diese außergewöhnliche Eigenschaft an sich, dass<br />

seine allumfassende Allgemeinheit keiner Abstraktion<br />

geschuldet sein kann: Mit dem Begriff „Sein“ wird nicht<br />

eine Einheit ausgesagt, die von allen Differenzen zwischen<br />

den Seienden abstrahierend absieht, denn auch die<br />

Differenzen zwischen den Seienden bzw. die individuelle<br />

Seinsweise sind etwas Seiendes und nicht nichts. Als<br />

allumfassende Einheit kann der Seinsbegriff nichts<br />

228<br />

abstrahierend ausschließen. Deshalb drückt der<br />

Seinsbegriff nicht eine abstrakte, sondern eine konkrete<br />

Allgemeinheit aus: Er meint nicht etwas Spezifisches am<br />

Seienden (etwa sein bloßes der-Fall-sein bzw. sein Dasssein<br />

im Unterschied zum Was-sein), sondern das jeweilige<br />

Seiende in seiner Gänze als solches. Die Einheit, die der<br />

Seinsbegriff bezeichnet, ist also eine Einheit, die nicht<br />

abstrahierend von den Differenzen absieht, sondern sie<br />

notwendig mit einschließt. Diese begriffliche Eigenart von<br />

„Sein“ wird traditionell als Analogie bezeichnet (vgl.<br />

Weissmahr 2 1991, 89ff.).<br />

Die der metaphysischen Tradition entnommene, hier<br />

nur kurz skizzierte Logik des Seinsbegriffs kann noch<br />

weiter entfaltet werden. Der Seinsbegriff ist<br />

transzendental, da er der empirischen Begriffsbildung als<br />

Ermöglichungsbedingung voraus liegt. Denn um aus der<br />

empirisch begegnenden Mannigfaltigkeit begriffliche<br />

Einheiten abstrahieren zu können, muss ich zuvor wissen,<br />

dass empirische Mannigfaltigkeit und begriffliche Einheit<br />

aufeinander bezogen werden können. Der Seinsbegriff<br />

bezeichnet nun genau dieses apriorische Wissen um die in<br />

sich differenzierte Totalität, innerhalb derer allererst<br />

begriffliche Bestimmungen des empirisch Gegebenen<br />

statthaben können. Mit „Sein“ verfüge ich über einen<br />

Begriff, der mich die in sich differenzierte, allumfassende<br />

Einheit benennen lässt, sodass ich innerhalb dieses<br />

ursprünglich analogen Feldes reine Einheiten (von den<br />

Differenzen abstrahierende Begriffe) bilden kann und,<br />

komplementär dazu, reine Differenzen, die sich der<br />

begrifflichen Einheitsbildung nicht fügen, behaupten kann.<br />

Jedoch können diese Einheiten und Differenzen niemals<br />

so rein sein, dass sie den analogen Grund, auf dem sie<br />

ruhen, jemals abschütteln können: Jede begriffliche<br />

Einheit ist bezogen auf eine Vielheit, innerhalb derer sie<br />

allererst die Einheit abstrahierend erblickt; und jede<br />

Differenzierung muss doch noch voraussetzen, dass das<br />

Differente wenigstens darin noch übereinkommt, ein<br />

Seiendes zu sein.<br />

Der angesprochene transzendentale Charakter des<br />

Seinsbegriffs ist jedoch nicht zu verstehen als<br />

Unabhängigkeit von aller empirischen Erfahrung. Die Rede<br />

von „Sein“ erhält ihre Legitimität ja dadurch, dass vom<br />

Seienden als Seienden gesprochen werden kann. Die<br />

Rede von Transzendentalität meint also nicht etwa, dass<br />

der Begriff des Seins das Seiende seinem Dasein nach<br />

hervorbringt, sondern präzise dies: Um ein empirisch<br />

Gegebenes als (so und so) Seiendes zu verstehen, bin ich<br />

auf ein nicht empirisch induziertes, d.h. ein<br />

transzendentales Verständnis von „Sein“ angewiesen.<br />

Dieses Verständnis ist so in Hinblick auf jedes empirische<br />

Verständnis ein Vorverständnis. In Hinblick darauf, dass<br />

„Sein“ immer das Sein eines empirisch begegnenden<br />

Seienden meint, wird nun die bloß formale Analogie-<br />

Struktur des Seinsbegriffs überschritten: Um zu einem<br />

Verständnis des Sein des Seienden zu werden, muss der<br />

Seinsbegriff im Sinne eines inhaltlichen Vorverständnisses<br />

entworfen werden. Der nicht nur formale Seinsbegriff trägt<br />

also einen Entwurfscharakter an sich, der sich nicht vom<br />

empirisch Gegebenen in seiner bloßen Gegebenheit<br />

ableiten lässt.

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