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V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie

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dieser Problematik hat Alan Boss von der Carnegie <strong>Institut</strong>ion<br />

in Washington Mitte der neunziger Jahre das Kant-<br />

Laplace-Modell in seiner Urform wieder in die Diskussion<br />

eingebracht. Demnach entstehen Planeten, wenn in<br />

der Scheibe einzelne Bereiche instabil werden <strong>und</strong> sich<br />

aufgr<strong>und</strong> der Schwerkraft verdichten. Ein fester Planetenkern<br />

könnte entstehen, wenn Staub in das Zentrum<br />

eines sich verdichtenden Gasklumpens absinkt. Auf diese<br />

Weise könnte sich ein Gasplanet innerhalb weniger<br />

tausend Jahre bilden – zumindest theoretisch. Unklar ist<br />

allerdings, ob die hier<strong>für</strong> notwendigen Bedingungen in<br />

einer protoplanetaren Scheibe überhaupt auftreten können.<br />

Diese muss nämlich wesentlich massereicher <strong>und</strong><br />

dichter sein als es bisherige Beobachtungen nahe legen.<br />

Außerdem sind diese lokalen Gasverdichtungen zunächst<br />

sehr instabil <strong>und</strong> können in der rotierenden Scheibe leicht<br />

zerrissen werden.<br />

Hubert Klahr vom MPIA hat jüngst ein Modell entwickelt,<br />

das eine Art Brücke zwischen den beiden konkur-<br />

rierenden Modellen schlägt. Demnach könnten in einer<br />

Scheibe »magnetische Wirbelstürme« entstehen, entfernt<br />

mit Hochdrucksystemen in der Erdatmosphäre vergleich-<br />

bar. Staub würde in diese Wirbel hineinströmen <strong>und</strong> sich<br />

darin ansammeln. Auf diese Weise könnten die »protoplanetaren<br />

Hurricanes« als Verstärker der Planetenentstehung<br />

funktionieren (siehe Kap. III.2).<br />

Die Vorgänge in einer protoplanetaren Scheibe sind<br />

so vielfältig <strong>und</strong> spielen sich auf einer so weiten Größen-<br />

skala ab, dass sie sich mit Simulationen allein bei wei-<br />

tem nicht vollständig beschreiben lassen. Astronomische<br />

Beobachtungen <strong>und</strong> seit jüngerer Zeit auch Laborexperimente<br />

müssen Fakten liefern, um die Vielfalt der theoretisch<br />

denkbaren Szenarien einzuschränken. Auf diesem<br />

Gebiet haben die Wissenschaftler erhebliche Fortschritte<br />

gemacht.<br />

Wie Thomas Henning <strong>und</strong> Kees Dullemond berichteten,<br />

lassen sich aus der beobachteten Energieverteilung<br />

im Infraroten sehr viele Details der protoplanetaren<br />

Scheibe ableiten. So ist es beispielsweise möglich, die<br />

Ausdehnung der Scheibe zu ermitteln oder Lücken, die<br />

ein großer Planet in die Scheibe gerissen haben könnte,<br />

nachzuweisen. Mit Hilfe von Infrarotspektren, wie sie<br />

seit kurzem das Weltraumteleskop SPITZER liefert, ist es<br />

auch möglich, die Signaturen von Wasser-, Kohlenmonoxid-<br />

<strong>und</strong> Kohlendioxid-Eis nachzuweisen, die auf Silikatteilchen<br />

ausgefroren sind.<br />

Neben Computersimulationen <strong>und</strong> Teleskopbeobachtungen<br />

spielen zunehmend auch Laborexperimente ei-<br />

ne Rolle, in denen die Entwicklung von Staubteilchen in<br />

protoplanetaren Scheiben nachgestellt wird. Jürgen Blum<br />

von der TU Braunschweig untersucht auf diese Weise<br />

die Frage, unter welchen Umständen kleine Staubteilchen<br />

sich zusammenlagern <strong>und</strong> zu größeren Aggregaten an-<br />

wachsen können, <strong>und</strong> welche Eigenschaften diese Aggregate<br />

haben. Experimente in der Schwerelosigkeit, an<br />

Bord eines Space Shuttle <strong>und</strong> als Nutzlast in einer ballistischen<br />

Rakete, brachten hier jüngst große Fortschritte.<br />

V.6 Ringebrg.Workshop »Vom Staubkorn zum Planeten« 117<br />

Abb. V.6.4: Starker Schneefall hatte Schloss Ringberg ein malerisches<br />

Flair verliehen.<br />

So ließ sich verfolgen, wie winzige Partikel bei langsamen<br />

Stößen aneinander haften bleiben <strong>und</strong> langsam zu<br />

größeren Partikeln anwachsen.<br />

Trotz großer Fortschritte im Verständnis der Planetenentstehung<br />

brennen die Astronomen natürlich darauf, ex-<br />

trasolare Planeten direkt zu beobachten. Wolfgang<br />

Brandner berichtete, dass man vom Erdboden aus mit In-<br />

terferometern, zum Beispiel am Very Large Telescope<br />

der Europäischen Südsternwarte, ESO, oder am Keck-<br />

Observatorium auf Hawaii, innerhalb der nächsten Jahre<br />

einige junge, helle Planeten der Jupiterklasse aufspüren<br />

könnte. Allerdings bewegen sich die Astronomen bei<br />

dieser Aufgabe am Rande des Möglichen. Die besten<br />

Chancen wird wohl erst der Nachfolger von HUBBLE, das<br />

James-Webb-Weltraumteleskop (JWST), bieten. Dessen<br />

Start ist <strong>für</strong> Mitte 2011 geplant. Mit ihm sollte es möglich<br />

sein, Gasriesen im Infraroten direkt zu beobachten.<br />

Sowohl am VLTI als auch am JWST sind Astronomen<br />

des MPIA beteiligt.<br />

Das Studium protoplanetarer Scheiben wird indes<br />

schon früher in eine neue Phase treten, <strong>und</strong> zwar mit dem<br />

Atacama Large Millimeter Array (ALMA). Dieses von<br />

der ESO <strong>und</strong> den Vereinigten Staaten gebaute Array entsteht<br />

derzeit auf dem 5000 Meter hohen Berg Chajnantor<br />

in den chilenischen Anden. Erste Messungen sollen 2007<br />

beginnen, das gesamte Array mit 64 Radioteleskopen<br />

wird 2012 in Betrieb gehen.<br />

(Hubert Klahr, Wolfgang Brandner)

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