V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie
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52 III. Wissenschaftliche Arbeiten<br />
den sind. Seit der Entdeckung vieler solcher heißen<br />
Jupiter ist die Anzahl der Publikationen zum Thema Planetenwanderung<br />
exponentiell angestiegen. Waren dies<br />
früher Arbeiten mit einfachen analytischen Modellen,<br />
so werden heutzutage Höchstleistungsrechner mit hoch<br />
aufgelösten dreidimensionalen Modellen beschäftigt, die<br />
alle Effekte von der Gasdynamik der planetaren Scheibe<br />
über die Ausbreitung der Strahlung im Staubplasma bis<br />
hin zum Einfluss von Magnetfeldern zu berücksichtigen<br />
suchen. Am MPIA sind auf diesem Gebiet in den letzen<br />
Jahren entscheidende Arbeiten entstanden, auf die wir im<br />
Folgenden noch zurückkommen werden. Doch zunächst<br />
zurück zur Beobachtung.<br />
Planetenentstehung ist Teil der Sternentstehung<br />
Im Gegensatz zu früheren Forschungsansätzen auf dem<br />
Gebiet der Planetenentstehung kann man heute, <strong>und</strong> gerade<br />
am MPIA, auf den Kenntnissen aufbauen, die im Rahmen<br />
der Sternentstehungsforschung gesammelt wurden. Auch<br />
kann man die Beobachtungsverfahren übernehmen, denn<br />
genauso wie vorher die Studien zur Sternentstehung,<br />
profitieren die Untersuchungen zur Planetenentstehung<br />
von der enormen Entwicklung im Bereich der Infrarotbeobachtungstechnik<br />
seit den 80er Jahren.<br />
Warum? Die Antwort liegt in der Natur des Verbindungsgliedes<br />
zwischen der Stern- <strong>und</strong> der Planetenentstehung<br />
– der zirkumstellaren Scheibe. Dies ist die<br />
Gas- <strong>und</strong> Staubscheibe, welche sich in Folge der<br />
Drehimpulserhaltung beim Einfall der Materie aus<br />
der Muttermolekülwolke um den jungen Protostern<br />
ausbildet. Diese Scheiben weisen nach unseren<br />
Beobachtungen typischerweise einen Durchmesser von<br />
wenigen h<strong>und</strong>ert Astronomischen Einheiten <strong>und</strong> eine<br />
Masse von typischerweise 1 / 100 der Sternmasse auf.<br />
(Eine Astronomische Einheit ist definiert als die mittlere<br />
Entfernung der Erde von der Sonne.) Obwohl der<br />
Staub – es handelt sich hierbei um ursprünglich submikrometergroße<br />
Partikel – nur etwa 1 / 100 der gesamten,<br />
vom Gas dominierten Scheibenmasse ausmacht, so ist<br />
er doch wegen seiner optischen Eigenschaften <strong>für</strong> die<br />
Beobachtbarkeit der Scheibenstruktur besonders wichtig.<br />
Das Gas allein ist weitestgehend durchsichtig. Was<br />
man beobachtet, ist also hauptsächlich der Staub. Zum<br />
einen erlaubt uns die am Staub gestreute Sternstrahlung<br />
die äußere Gestalt der Scheiben zu beobachten. Zum<br />
anderen lässt die Wärmestrahlung des Staubes Aussagen<br />
über die innere Struktur der Scheiben zu. Entsprechend<br />
der Staubtemperaturen von bis zu 1500 Kelvin am<br />
Innenrand der Scheibe, also nahe am Stern, bis hin zum<br />
kalten Staub in den äußeren Regionen, kann man die<br />
vom Staub emittierte Strahlung vom nahen Infrarot bis<br />
in den Millimeterwellenlängenbereich untersuchen.<br />
Die Absorptions- <strong>und</strong> Emissionseigenschaften eines<br />
einzelnen Staubkorns lassen sich experimentell<br />
in Abhängigkeit von seiner chemischen <strong>und</strong> struktu-<br />
rellen Zusammensetzung sowie seiner Größe bestimmen.<br />
Die Bestimmung der kombinierten Eigenschaften<br />
all der unzähligen Staubkörner unterschiedlicher<br />
Zusammensetzung <strong>und</strong> Größe, welche die protoplanetare<br />
Scheibe bilden, benötigt nun jedoch den Einsatz<br />
komplizierter Berechnungen mit leistungsfähigen<br />
Computern. Am MPIA stehen eine Reihe dieser numerischen<br />
Werkzeuge zur Verfügung, wie zum Beispiel<br />
das dreidimensionale Strahlungstransportprogramm von<br />
Sebastian Wolf. Es handelt sich um ein Programm<br />
nach dem so genannten Monte-Carlo-Verfahren. Das<br />
bedeutet nicht, dass man zur erfolgreichen Bedienung<br />
des Programms besonders viel Glück benötigt, sondern<br />
dass ein Zufallselement zur Erreichung statistisch guter<br />
Ergebnisse in den Algorithmus einbezogen wurde.<br />
Die Funktionsweise des Programms ist recht anschaulich.<br />
Wie bei »echten« Sternen werden die Photonen von<br />
der Sternoberfläche aus in zufällig ausgewählte Richtungen<br />
in die umgebende zirkumstellare Scheibe ausgesandt.<br />
Dort können die Photonen an den Staubkörnern gestreut,<br />
aber auch von ihnen absorbiert werden, wodurch<br />
sich die Scheibe erwärmt – genau wie in der Realität.<br />
Nach mehr oder weniger komplizierten Pfaden durch<br />
die Scheibe können die Photonen das Stern-Scheibe-<br />
System verlassen <strong>und</strong> mit im Computer nachgebildeten<br />
Teleskopen beobachtet werden. Simulationen mit<br />
Millionen oder gar Milliarden solcher Photonen erlauben<br />
es dann, Bilder zu erstellen <strong>und</strong> andere Beobach-<br />
tungsgrößen abzuleiten. Je nachdem, welches Teleskop<br />
man nun in den Rechner steckt, lassen sich Bilder erzeugen,<br />
wie sie das Weltraumteleskop HUBBLE sehen<br />
würde, oder spektrale Energieverteilungen, wie sie<br />
die am MPIA mitentwickelten Satelliten ISO oder das<br />
Weltraumteleskop SPITZER messen könnten. Neben der<br />
Interpretation von bereits vorliegenden Beobachtungen<br />
erlaubt es das Teleskop im Computer auch Beobachtungen<br />
mit zukünftigen Geräten zu planen, sei es das im<br />
Bau befindliche (Sub)millimeter-Interferometer ALMA<br />
(Atacama Large Millimeter Array) oder das zukünftige<br />
100-m-Großteleskop OWL (OverWhelmingly Large<br />
Telescope).<br />
Im Computer lassen sich nun die Staubeigenschaften<br />
ändern <strong>und</strong> damit die Auswirkungen auf die Beobach-<br />
tung studieren. Im Umkehrschluss kann man danach an<br />
Hand von Beobachtungsdaten ablesen, wie sich die Staub-<br />
eigenschaften von einer beobachteten zirkumstellaren<br />
Scheibe zur nächsten ändern. Ähnlich wie eingangs im<br />
Fall der Sternentwicklung, hoffen wir auf diese Weise<br />
etwas über die Entwicklung zirkumstellarer Scheiben zu<br />
Planetensystemen zu lernen.<br />
Staub wächst zu Planeten...<br />
Der Staub in zirkumstellaren Scheiben hat noch eine<br />
wesentlich wichtigere Bedeutung als nur <strong>für</strong> die Beobachtbarkeit<br />
der Scheiben zu sorgen: Man geht heut-