22.07.2013 Aufrufe

V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie

V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie

V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Unsere gegenwärtige Vorstellung von der<br />

Brennstoffzufuhr in Galaxienkerne<br />

Obwohl sich langsam ein mögliches Szenario <strong>für</strong> die<br />

Speisung von Galaxienzentren herausbildet, gibt es nach<br />

wie vor eine Fülle unbeantworteter Fragen. Es besteht<br />

keine Einigkeit bezüglich des genauen Mechanismus, der<br />

den Einfall von Gas in das eigentliche Galaxienzentrum<br />

antreibt. Auf großräumigen Skalen wurde vorgeschlagen,<br />

dass dynamische Störungen (z.B. Zusammenstöße von<br />

Galaxien, Verschmelzungen <strong>und</strong> Akkretion von Materie),<br />

Balken, Spiralarme <strong>und</strong> ihre gravitativen Drehmomente<br />

den Einfall von Gas bis hinab zu Skalen von etwa dem<br />

zentralen Kiloparsec antreiben. So werden zum Beispiel<br />

bei mindestens 75 % aller Spiralgalaxien Balken beobachtet,<br />

<strong>und</strong> man glaubt, dass sie eine Schlüsselrolle in<br />

diesem Prozess spielen, indem sie Gas von der äußeren<br />

großräumigen Scheibe in den zentralen 1 Kiloparsec<br />

großen Bereich transportieren. Numerische Simulationen<br />

haben gezeigt, dass durch den Balken ausgeübte<br />

Drehmomente gasförmiges Material sehr effizient in das<br />

Zentrum einer Galaxie befördern können, <strong>und</strong> genauere<br />

Vergleiche großräumiger Eigenschaften einzelner<br />

Galaxien mit dynamischen Modellen zeigen eine recht<br />

gute Übereinstimmung.<br />

Für die großräumigen Gasströmungen hat man insgesamt<br />

ein relativ gutes Modell. Um jedoch den sehr effizienten<br />

Massentransport von der Kiloparsec-Skala in die<br />

innersten 100 pc zu erklären, muss man sich mit dem keineswegs<br />

trivialen Problem befassen, wie der Drehimpuls<br />

abgeführt werden kann. Zunächst wurden sek<strong>und</strong>äre<br />

oder innere Balken vorgeschlagen, die die letzten paar<br />

Parsec überbrücken sollten. Doch neuerdings wurde<br />

angeregt, dass andere Mechanismen, z.B. m = 1 Moden<br />

wie schräg liegende Scheiben oder einarmige Spiralen<br />

<strong>und</strong>/oder Gasdichtewellen, genauso wichtig oder wichtiger<br />

sind. Ebenso ist möglich, dass das Einströmen von<br />

Gas zunächst zu einem Ausbruch von Sternentstehung<br />

(»Starburst«) im Kern führt <strong>und</strong> dann die durch Gezeiten<br />

auseinander gerissenen Sterne dieses neu im Kern gebildeten<br />

Sternhaufens den AGN speisen. Somit ist das seit<br />

langem bestehende Problem des Brennstofftransports in<br />

die zentrale Kiloparsec-Region nach wie vor ungelöst<br />

<strong>und</strong> stark umstritten. Es ist ziemlich schwierig, Modelle<br />

<strong>für</strong> die Gasströmung auf Skalen von wenigen zig Parsec<br />

in der Praxis zu überprüfen, da hierzu eine hohe räumliche<br />

Auflösung <strong>und</strong> damit auch hohe Winkelauflösung<br />

nötig ist. Bislang stehen nur <strong>für</strong> einige wenige Galaxien<br />

Daten hoher Qualität zur Verfügung, um Vorhersagen der<br />

Modelle zu überprüfen. Aber man hat auch gerade erst<br />

begonnen, Modelle <strong>für</strong> die Gasströmung im innersten<br />

Kiloparsec-Bereich zu erstellen.<br />

Ein vereinfachtes Bild einer Gasströmung aufgr<strong>und</strong><br />

eines großräumigen stellaren Balkens (von einigen kpc<br />

Länge) kann wie folgt beschrieben werden (siehe Abb.<br />

III.4.1): Jedes rotierende Muster (wie ein Balken oder<br />

III.4 Brennstoff <strong>für</strong> die zentrale Kiloparsec-Region oder: Wie aktiviert man Galaxiezentren? 69<br />

Spiralarme) in einer differentiell rotierenden Scheibe<br />

führt zu Resonanzen. Insbesondere der Ort der Korotationsresonanz<br />

ist <strong>für</strong> Gasströmungen von Bedeutung. Der<br />

Radius der Korotationsresonanz ist der Ort, wo die<br />

Winkelgeschwindigkeit des Musters gleich der Winkelgeschwindigkeit<br />

aufgr<strong>und</strong> des Gravitationspotentials ist.<br />

Die Drehmomente, die z.B. von einem stellaren Balken<br />

ausgeübt werden, führen dazu, dass sich das Gas von dieser<br />

Resonanz fortbewegt. Daher wandert sämtliches Gas<br />

innerhalb der Korotationsresonanz in Richtung Zentrum.<br />

Ist ein stellarer Balken vorhanden, so sammelt sich<br />

das Gas längs der Vorderseiten des rotierenden Balkens<br />

an <strong>und</strong> bildet Staubbänder. In einem solch einfachen<br />

Bild (Abb. III.4.1) sind die Umlaufbahnen einzelner<br />

Gaswolken nicht mehr kreisförmig, sondern elliptisch.<br />

Zudem sind diese elliptischen Bahnen gegeneinander geneigt,<br />

wodurch das Gas jedes Mal, wenn die Gaswolke in<br />

das Gebiet der Staubbänder eintritt, Drehimpuls verliert.<br />

Je nach der genauen Form des Gravitationspotentials<br />

<strong>und</strong> den Eigenschaften des stellaren Balkens können sich<br />

die Gaswolken in der Zentralregion ansammeln <strong>und</strong> eine<br />

Abb. III.4.1: Schematische Ansicht der Gasströmung in einer<br />

Spiralgalaxie mit einem großräumigen stellaren Balken<br />

(grau gestrichelt). Die ungefähren Positionen zweier <strong>für</strong> die<br />

Speisung der Kernaktivität wichtiger Resonanzen sind angegeben<br />

(schwarz gestrichelt): Die Ko-Rotationsresonanz (CR)<br />

<strong>und</strong> die Innere Lindblad-Resonanz (ILR). Kurz ausgedrückt<br />

kann das zwischen diesen beiden Resonanzen liegende Gas<br />

Drehimpuls verlieren <strong>und</strong> näher an die Kernregion strömen.<br />

Idealisierte Umlaufbahnen der Gasströmungen sind als<br />

schwarze Ellipsen dargestellt. Wo die Ellipsen einander nahe<br />

kommen, können Gaswolken durch Stoßwellen sehr effizient<br />

Drehimpuls verlieren. Diese Regionen sind als so genannte<br />

Gas- <strong>und</strong>/oder Staubbänder (rot gestrichelt) in den Scheiben<br />

von Balken-Spiralgalaxien deutlich erkennbar.<br />

ILR<br />

Balken<br />

CR<br />

Staubbahn

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!