V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie
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III.3 Näher <strong>und</strong> näher an die Zentren von Galaxien<br />
Alle massereichen Galaxien besitzen ein ausgeprägtes<br />
Zentrum, wo sowohl die Sterndichte als auch die<br />
Häufigkeit des molekularen Gases um mindestens<br />
das Zehnfache höher ist als im Durchschnitt. Einige<br />
wenige Prozent der Galaxien beherbergen jedoch in<br />
ihren Zentren einen besonderen Motor, der sehr viel<br />
stärker ist, als eine Konzentration von Sternen <strong>und</strong> Gas<br />
erklären könnte – wir nennen diese Zentren »aktive<br />
Galaxienkerne« (active galactic nuclei, AGN). Das<br />
MPIA nutzt seinen privilegierten Zugang zu weltweit<br />
einzigartigen Instrumenten am Very Large Telescope<br />
(VLT) auf dem Cerro Paranal in Chile <strong>und</strong> führt dort<br />
ein Projekt durch, mit dem das Geheimnis entschlüsselt<br />
werden soll, wie der zentrale Motor dieser AGN<br />
funktioniert. Zu diesem Zwecke verwenden wir eine<br />
Kombination aus hoher <strong>und</strong> höchster Winkelauflösung,<br />
die unsere Beobachtungen immer dichter an die unmittelbare<br />
Quelle der Aktivität heranführt.<br />
Die überwiegende Strahlung im heutigen Universum<br />
stammt von Sternen, die ihre Energie durch Kernfusion<br />
erzeugen. Wir wissen jedoch, dass die extrem energiereichen<br />
Prozesse, die in aktiven Galaxienkernen ablaufen,<br />
nicht durch normale Sterne erzeugt werden können, sondern<br />
mit einem exotischeren Prozess in Zusammenhang<br />
stehen müssen, der in der Lage ist, über Zeitspannen von<br />
10 7 Jahren hinweg kontinuierlich 10 35 – 10 39 Watt freizusetzen.<br />
Der extremste Fall einer solchen galaktischen<br />
Kernaktivität tritt in Quasaren auf, wo der Kern selbst so<br />
leuchtkräftig ist, dass er die gesamte Galaxie mit ihren<br />
Milliarden Sternen um Größenordungen überstrahlt. Vor<br />
mehr als 30 Jahren (1969) schlug der britische Astronom<br />
Donald Lynden-Bell vor, dass aktive Galaxien ihre<br />
Energie durch Akkretion von Materie auf supermassereiche<br />
Schwarze Löcher in ihren Zentren beziehen. Wenn<br />
die Zufuhr von Materie zu einem späteren Zeitpunkt aufhört,<br />
kommt die Aktivität zum Erliegen, das massereiche<br />
Schwarze Loch bleibt jedoch im Zentrum der Galaxie erhalten.<br />
Entsprechend sollten diese massereichen, dunklen,<br />
kompakten Objekte als Überreste einer früheren Quasar-<br />
Phase noch immer in den Kernen vieler ruhiger Galaxien,<br />
vielleicht sogar in allen Galaxien, schlummern. Und<br />
dies scheint in der Tat meist der Fall zu sein: Die in den<br />
letzten Jahren angesammelten Beobachtungshinweise<br />
deuten mit großer Sicherheit auf die Existenz eines<br />
supermassereichen Schwarzen Lochs in unserer eigenen,<br />
jetzt ziemlich friedlichen Milchstraße hin, <strong>und</strong><br />
das Gleiche gilt <strong>für</strong> viele andere nahe Galaxien. Nach<br />
heutigen Messungen haben diese zentralen Schwarzen<br />
Löcher die 10 6 - bis 10 7 -fache Masse unserer Sonne,<br />
konzentriert in einem Gebiet, das nicht größer ist als un-<br />
ser Sonnensystem. Die Anziehungskraft, die eine derart<br />
hohe Massenkonzentration ausübt, wird von den Sternen<br />
<strong>und</strong> dem Gas in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft<br />
gespürt werden. Selbst wenn wir also das Schwarze<br />
Loch nicht direkt sehen können, können wir durch die<br />
Untersuchung der Sterne <strong>und</strong> des Gases in seiner Umgebung<br />
auf seine Gegenwart schließen. Deshalb bemühen<br />
sich die Astronomen, die Zentren von Galaxien mit<br />
der höchstmöglichen räumlichen Auflösung zu erkun-<br />
den.<br />
Eine Schwierigkeit bei der Untersuchung von<br />
Galaxienzentren ist die Tatsache, dass viele von ihnen<br />
anscheinend tief in Staub eingebettet sind. Dieser absorbiert<br />
einen beträchtlichen Teil des Lichts aus diesen<br />
Gebieten, sodass wir keine freie Sicht auf den zentralen<br />
Motor haben. Deshalb sind <strong>für</strong> die Untersuchung<br />
von Galaxienzentren neben sehr hohen räumlichen<br />
Auflösungen auch Beobachtungen in Bereichen des elektromagnetischen<br />
Spektrums nötig, wo die Auswirkungen<br />
der Staubabsorption gering sind. Solche Beobachtungen<br />
sind bei anderen Wellenlängen als denen des uns vertrauten<br />
sichtbaren Bereichs tatsächlich möglich, <strong>und</strong> zwar<br />
bei den kürzesten Röntgenwellenlängen oder bei langen<br />
Wellenlängen in den Infrarot- <strong>und</strong> Radiobereichen. Im<br />
nahen Infrarot, bei etwa 2 mm, ist die Auswirkung der<br />
Staubabsorption bereits fünfmal geringer als im optischen<br />
Bereich; im mittleren Infrarot, bei Wellenlängen<br />
größer als 10 mm, ist sie fast vernachlässigbar. Hinzu<br />
kommt, dass der Staub durch die Absorption ultravioletter<br />
<strong>und</strong> optischer Strahlung auf Temperaturen<br />
von einigen h<strong>und</strong>ert Kelvin aufgeheizt wird. Und die<br />
Strahlung dieses warmen Staubs ist dann bei mittleren<br />
Infrarotwellenlängen direkt beobachtbar.<br />
Das MPIA in Heidelberg hat die Möglichkeiten erkannt,<br />
die Infrarotbeobachtungen im Hinblick auf staubverhüllte<br />
Quellen bieten – das sind neben Galaxienkernen<br />
auch Sterne in der Frühphase ihrer Entstehung – <strong>und</strong><br />
<strong>für</strong> diesen Spektralbereich hochmoderne, auf adaptiver<br />
Optik <strong>und</strong> Interferometrie basierende Instrumente<br />
entwickelt. Diese Instrumente erlauben es uns, die<br />
Galaxienkerne auf räumlichen Skalen zu beobachten,<br />
wie sie nie zuvor zugänglich waren: bis hinab zu einigen<br />
zehn Millibogensek<strong>und</strong>en (1 Millibogensek<strong>und</strong>e =<br />
1 /1000 Bogensek<strong>und</strong>e = 2.8 10 –6 Grad). Bislang wurden<br />
Skalen deutlich unter einer Bogensek<strong>und</strong>e im optischen<br />
Bereich nur mit dem HUBBLE-Weltraumteleskop <strong>und</strong> im<br />
Radiobereich mit Hilfe von Interferometrie mit großer<br />
Basislänge erreicht. Eines der neuen Infrarotinstrumente<br />
ist NAOS-CONICA (NACO), eine Kombination aus Kamera<br />
<strong>und</strong> Spektrograph <strong>für</strong> das nahe Infrarot (1 – 2.5 mm), die<br />
es ermöglicht, das »Verwackeln« astronomischer Bild-<br />
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