V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie
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68 III. Wissenschaftliche Arbeiten<br />
III.4 Brennstoff <strong>für</strong> die zentrale Kiloparsec-Region<br />
oder: Wie aktiviert man Galaxiezentren?<br />
Die Zentralregion einer Spiralgalaxie ist ein besonderer<br />
Ort. Ein deutlicher Anteil der Spiralgalaxien zeigt Aktivität<br />
in Form (heftiger) Sternentstehung oder gar leuchtender<br />
galaktischer Schwarzer Löcher. Diese Aktivität benötigt<br />
offenbar einen Brennstoff, der vermutlich in Form<br />
von molekularem Gas geliefert wird. Relativ unklar ist<br />
bisher jedoch, wie dieses Material in das unmittelbare<br />
Zentrum geleitet wird. Zahlreiche verschiedene Modelle<br />
sind vorgeschlagen worden, doch erst jetzt, nachdem<br />
mit Hilfe von Interferometern Beobachtungen mit höchster<br />
Winkelauflösung im Millimeterspektralbereich möglich<br />
sind, können diese Modelle auch am Teleskop<br />
getestet werden.<br />
Im Rahmen unserer Strategie, Galaxien <strong>und</strong> kosmologische<br />
Theorien in vielen verschiedenen Wellenlängenbereichen<br />
zu untersuchen, haben wir am <strong>Max</strong>-<strong>Planck</strong>-<br />
<strong>Institut</strong> <strong>für</strong> <strong>Astronomie</strong> kürzlich begonnen, auf diesen<br />
Gebieten aktiv an kombinierten Beobachtungen im nahen<br />
Infrarot, (Sub-)Millimeter- <strong>und</strong> Radiobereich teilzunehmen.<br />
Astronomen am MPIA spielen eine führende<br />
Rolle in mehreren großen internationalen Kollaborationen<br />
zur Untersuchung naher Galaxien. Zwei Durchmusterungen<br />
mit starker Beteiligung des MPIA sind das<br />
»Galaxienkern-Projekt« (»Nuclei of Galaxies projekt«,<br />
NUGA, Eva Schinnerer) sowie die »SPITZER-Infrarot-<br />
Durchmusterung naher Galaxien« (»SPITZER-Infrared<br />
Nearby Galaxy Survey«, SINGS, F. Walter, J. Cannon), einer<br />
der sechs »SPITZER Legacy Surveys«. Zusätzlich leiten<br />
MPIA-Astronomen zwei der wenigen »Großprojekte« am<br />
Very Large Array (VLA) des National Radio Astronomy<br />
Observatory (NRAO), die mit Untersuchungen bei verschiedenen<br />
Wellenlängen verknüpft sind: »The HI<br />
Nearby Galaxy Survey«, THINGS (F. Walter, PI <strong>und</strong> F.<br />
Bigiel) <strong>und</strong> VLA-COSMOS, welches der Untersuchung<br />
des fernen Universums gewidmet ist (Eva Schinnerer, V.<br />
Smolcic). Weitere detaillierte Untersuchungen in diesem<br />
Zusammenhang beinhalten Radio/mm-Beobachtungen<br />
der Wirtsgalaxien der entferntesten Quasare <strong>und</strong> von Sub-<br />
Millimeter-Galaxien (F. Walter, K. Knudsen, D. A. Riechers).<br />
Hier wollen wir einen kurzen Überblick über die<br />
Anstrengungen geben, die zur Zeit unternommen werden,<br />
um die Prozesse der Brennstoffzufuhr in nahen Ga-<br />
laxien besser zu verstehen. Dies ist nur ein Aspekt der<br />
Studien bei verschiedenen Wellenlängen, welcher durch<br />
zusätzliche Informationen aus dem langwelligen Be-<br />
reich erschlossen wird. Neueste Ergebnisse der anderen<br />
in vielen verschiedenen Wellenlängenbereichen durchge-<br />
führten Beobachtungsprogramme werden in den nächsten<br />
Berichten vorgestellt werden.<br />
Was macht Galaxienzentren zu besonderen Orten?<br />
Im Allgemeinen können die Zentren von (Spiral-)<br />
Galaxien leicht anhand ihres Überschusses an Sternlicht<br />
identifiziert werden. Ein deutlicher Anteil nahegelegener<br />
Galaxien zeigt auch Anzeichen <strong>für</strong> eine zusätzliche<br />
Kernaktivität, entweder in Form von jüngster oder noch<br />
andauernder heftiger Sternentstehung, oder durch die<br />
Existenz eines aktiven Galaxienkerns (AGN). Man geht<br />
davon aus, dass ein AGN entsteht, wenn ein ruhiges,<br />
massereiches Schwarzes Loch durch einfallendes Gas<br />
aus seiner umgebenden Wirtsgalaxie gespeist wird.<br />
Diese Arten von Kernaktivität sind ziemlich überraschend.<br />
Denn eigentlich sollte man erwarten, dass die<br />
unmittelbaren Zentren von Galaxien keine geeigneten<br />
Orte <strong>für</strong> Sternentstehung sind, da starke Gezeiten- <strong>und</strong><br />
Scherkräfte an den Molekülwolken zerren <strong>und</strong> die starken<br />
UV-Strahlungsfelder der dichten Sternpopulationen<br />
zur Aufheizung <strong>und</strong> Photo-Dissoziation des molekularen<br />
Gases führen. Jüngste Beobachtungen mit dem<br />
Weltraumteleskop HUBBLE bei optischen <strong>und</strong> nahen Infrarotwellenlängen<br />
haben jedoch gezeigt, dass in den pho-<br />
tometrischen Zentren von Spiralgalaxien aller Hubble-<br />
Typen sehr häufig kompakte (Durchmesser in der<br />
Größenordnung einiger Parsec), photometrisch deutlich<br />
erkennbare Sternhaufen vorhanden sind. Überraschenderweise<br />
stellt sich heraus, dass die Strahlung vieler genauer<br />
untersuchter Sternhaufen in galaktischen Kernen<br />
von einer jungen Sternpopulation mit einem Alter von<br />
unter 100 Millionen Jahren dominiert wird. Diese<br />
Galaxien müssen offenbar in jüngster Zeit einen deutlichen<br />
Zustrom an molekularem Gas – dem Material <strong>für</strong><br />
Sternentstehung – in ihre unmittelbaren Zentralregionen<br />
erfahren haben, damit eine solche Sternentstehung möglich<br />
war.<br />
Die Verbindung zwischen der Wirtsgalaxie <strong>und</strong> ihrem<br />
zentralen Motor stellt nach wie vor ein Dilemma der<br />
AGN-Forschung dar. Neueste Modelle der Speisung von<br />
AGN <strong>und</strong> der Vereinheitlichung von AGN-Typen beinhalten<br />
beobachtbare Effekte in den Wirtsgalaxien, die<br />
sich auf Skalen von einigen zehn bis etwa 1000 pc abspielen<br />
(zum Beispiel ineinandergeschachtelte Balken,<br />
Kernscheiben <strong>und</strong> Staub). Man geht davon aus, dass<br />
AGN-Aktivität in Galaxien eng mit der Verfügbarkeit<br />
von (molekularem) Gas direkt im Zentrum zusammenhängt.<br />
Aus der Anzahldichte naher AGN ergibt sich eine<br />
»Einschaltdauer« von etwa 100 Millionen Jahren. Somit<br />
muss der Speisungsmechanismus in der Lage sein, das<br />
Gasreservoir im Kern in diesem Zeitraum wieder aufzufüllen.