V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie
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36 II. Highlights<br />
II.6 Warum sinkt die kosmische Sternentstehungsrate?<br />
Eine zentrale Frage der modernen Kosmologie betrifft<br />
die zeitliche Entwicklung der Sternentstehungsrate.<br />
Jüngere Forschungsergebnisse belegen, dass diese in<br />
der zweiten »Lebenshälfte« des Universums etwa auf ein<br />
Zehntel abgenommen hat. Die Ursache hier<strong>für</strong> ist noch<br />
weitgehend unklar. Ein internationales Astronomenteam<br />
unter der Leitung des MPIA untersuchte jüngst die<br />
Sternentstehungsrate in Galaxien bei z = 0.7. Damals<br />
war das Universum etwa halb so alt wie heute. Es ergab<br />
sich, dass eine abnehmende Wechselwirkung zwischen<br />
den Galaxien nicht die Hauptursache <strong>für</strong> die stark rückläufige<br />
Sternentstehungsrate in den vergangenen sieben<br />
Milliarden Jahren sein kann. Hier<strong>für</strong> müssen andere<br />
Vorgänge im Innern von Spiralgalaxien verantwortlich<br />
sein.<br />
In der Vergangenheit wurden zahlreiche Methoden entwickelt,<br />
um die Sternentstehungsrate in fernen Galaxien<br />
zu ermitteln. Gemeinhin gilt die Intensität der UV-<br />
Strahlung junger, heißer Sterne als guter Indikator. Große<br />
Staubmassen, die in Sternentstehungsgebieten notwendigerweise<br />
vorhanden sind, können aber einen Großteil der<br />
UV-Strahlung absorbieren. Daher ist auch die thermische<br />
Infrarotstrahlung des von jungen Sternen aufgeheizten<br />
Staubes ein Maß <strong>für</strong> die Sternentstehungsrate. Andere<br />
Indikatoren sind starke Linienemission, wie sie hoch<br />
angeregte Wasserstoff- <strong>und</strong> Sauerstoff-Ionen aussenden,<br />
oder Radio- <strong>und</strong> Röntgenemission.<br />
Besonders aussagekräftig, aber auch sehr aufwändig,<br />
sind Studien, in denen man Beobachtungsdaten aus verschiedenen<br />
Wellenlängenbereichen heranzieht. Diesen<br />
Weg gingen die Forscher des MPIA, wobei sie zum Teil<br />
auf Himmelsdurchmusterungen zurückgreifen konnten,<br />
die in jüngster Vergangenheit unter der Leitung des<br />
MPIA entstanden sind.<br />
Der multispektrale Datensatz<br />
Für den Bereich des sichtbaren Lichts standen ihnen<br />
die Daten der Galaxiendurchmusterung COMBO-17<br />
(Classifying Objects by Medium-Band Observations<br />
with 17 Filters) zur Verfügung. Im Rahmen dieses<br />
am MPIA durchgeführten Surveys wurde ein großes<br />
Himmelsareal durch 17 Filter hindurch aufgenommen<br />
<strong>und</strong> die Helligkeiten von Galaxien in entsprechend vielen<br />
Farbbereichen gemessen. Das ermöglicht es, Galaxien<br />
zu klassifizieren <strong>und</strong> deren Rotverschiebungen bis zu<br />
einer Rothelligkeit von 24 mag bis auf wenige Prozent<br />
genau zu bestimmen. Entscheidende Voraussetzung <strong>für</strong><br />
das Projekt war das große Bildfeld der Weitfeldkamera<br />
(Wide Field Imager, WFI), die unter Leitung des MPIA<br />
entwickelt <strong>und</strong> gemeinsam mit der ESO gebaut worden<br />
war. Sie arbeitet am 2.2-Meter-MPG/ESO-Teleskop auf<br />
La Silla <strong>und</strong> besitzt ein 32 33 Quadratbogenminuten<br />
großes Bildfeld, entsprechend etwa der Fläche des<br />
Vollmondes.<br />
Eine speziell entwickelte Software identifiziert in<br />
den COMBO-17-Daten neben Sterntypen <strong>und</strong> Quasaren<br />
auch verschiedene Galaxientypen, wie Elliptische,<br />
Spiralgalaxien sowie Starburstgalaxien mit ungewöhnlich<br />
hoher Sternentstehungsrate. Insgesamt sind r<strong>und</strong><br />
25 000 Galaxien erfasst, womit COMBO-17 weltweit zu<br />
den umfangreichsten <strong>und</strong> am tiefsten reichenden Surveys<br />
zählt.<br />
Als zweiter bedeutender Datensatz konnten die<br />
Astronomen auf die unter Leitung des MPIA entstandene<br />
Himmelsaufnahme GEMS (Galaxy Evolution from<br />
Morphology and Spectral Energy Distributions) zurückgreifen,<br />
die bis dahin größte mit dem Weltraumteleskop<br />
HUBBLE gewonnene Farbaufnahme (Jahresbericht 2003,<br />
S. 40). Das GEMS-Aufnahmefeld hat ebenfalls eine Größe<br />
von 28 28 Quadratbogenminuten <strong>und</strong> setzt sich aus<br />
78 mit der Advanced Camera for Surveys (ACS) gewonnenen<br />
Einzelaufnahmen zusammen, die jeweils in zwei<br />
Wellenlängenbereichen um 606 nm <strong>und</strong> 850 nm gewonnen<br />
wurden. In einer Galaxie mit einer Rotverschiebung<br />
z = 0.7 lassen sich so noch Details von 500 bzw. 700 pc<br />
(1600 Lj bzw. 2300 Lj) erkennen. Damit sind große Stern-<br />
entstehungsgebiete <strong>und</strong> andere typische Strukturen, deren<br />
Ausdehnung wenige tausend Lichtjahre beträgt, mit<br />
brillanter Auflösung erkennbar. (Abb. II.6.1 a)<br />
Das GEMS-Feld liegt innerhalb des CHANDRA Deep<br />
Field South (CDFS), das mit dem Weltraumteleskop<br />
CHANDRA im Röntgenbereich aufgenommen wurde.<br />
Somit standen den Astronomen von einigen Galaxien<br />
auch diese Daten zur Verfügung. Zu diesem multispektralen<br />
Datensatz kamen noch Infrarotaufnahmen hinzu,<br />
die mit dem Weltraumteleskop SPITZER bei 24 µm<br />
Wellenlänge gewonnen wurden (Abb. II.6.1 b). Dieses<br />
Feld war 90 30 Bogenminuten groß <strong>und</strong> überdeckte<br />
das CDFS.<br />
Die Strategie der neuen Studie bestand darin, aus<br />
COMBO-17 alle Galaxien auszuwählen, die sich in einem<br />
engen Rotverschiebungsbereich von 0.65 < z < 0.75<br />
befinden. Dies entspricht einer mittleren Rückblickzeit<br />
von sieben Milliarden Jahren, also etwa dem halben<br />
Weltalter, <strong>und</strong> einem Zeitintervall von 500 Millionen<br />
Jahren. Diese Objekte wurden dann in den anderen<br />
Surveys identifiziert <strong>und</strong> die Daten kombiniert. Hieraus<br />
wurden schließlich die jeweilige Sternentstehungsrate