V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie
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82 IV. Instrumentelle Entwicklungen<br />
1. Die Fizeau-Interferometrie liefert eine hohe Winkel-<br />
auflösung über ein großes Gesichtsfeld, dies aller-<br />
dings nur unter bestimmten geometrischen Bedingungen<br />
<strong>für</strong> den Strahlengang. Um diese Geometrie<br />
erzielen zu können, ist <strong>für</strong> gewöhnlich eine schwerfällige<br />
Zwischenoptik nötig. Am Large Binocular<br />
Telescope jedoch teilen sich die beiden Spiegel eine<br />
gemeinsame, steuerbare Montierung. Das bedeutet,<br />
dass das Teleskop dem Zielobjekt stets dieselbe<br />
Teleskopkonfiguration darbietet, was die Aufgabe,<br />
die benötigte optische Geometrie aufrechtzuerhalten,<br />
erheblich vereinfacht. Diese Vereinfachung setzt<br />
sich direkt in Kostenersparnisse <strong>und</strong> eine erhöhte<br />
Empfindlichkeit um. Bei Infrarotbeobachtungen<br />
werden zudem nur drei (statt der sonst üblichen<br />
20) warme Spiegel benötigt, um die Strahlung zum<br />
Strahlvereiniger zu lenken.<br />
2. Fizeau-Bildinterferometrie funktioniert am besten<br />
mit kompakten Teleskopanordnungen, das heißt mit<br />
Konfigurationen, bei denen der Abstand der Spiegel<br />
zueinander vergleichbar mit ihrem Durchmesser ist.<br />
Dies gewährleistet eine relativ gleichmäßige Über-<br />
deckung aller räumlichen Skalen, sodass es keine<br />
Probleme im Zusammenhang mit der »Überauflösung«<br />
(d.h. dem Unsichtbarwerden) von Strukturen<br />
gibt, deren Ausdehnung zwischen der dem Durchmesser<br />
d des Einzelspiegels entsprechenden Größe<br />
<strong>und</strong> der gesamten Größe (oder Basislänge) B liegt.<br />
So hat zum Beispiel ein Interferometer, das aus<br />
zwei 10-m-Teleskopen im Abstand von 100 m<br />
besteht <strong>und</strong> bei einer Wellenlänge von 2 mm arbei-<br />
tet, Probleme, Strukturen bei räumlichen Skalen zwischen<br />
5 Millibogensek<strong>und</strong>en (l/B) <strong>und</strong> 50 Milli-bogensek<strong>und</strong>en<br />
(l/d) zu erkennen. Das LBT mit seinen<br />
8.4 m großen Hauptspiegeln im Abstand von 6 m hat<br />
keinen solchen blinden Fleck.<br />
3. Es gibt auch strategische Gründe, sich auf Bilde-<br />
benen-Interferometrie am LBT zu konzentrieren.<br />
So stellt sie eine potentiell bedeutsame Technologie<br />
<strong>für</strong> zukünftige boden- <strong>und</strong> weltraumgestützte Teleskope<br />
dar <strong>und</strong> bietet verglichen mit gegenwärtigen<br />
Einrichtungen eine Verdoppelung der Teleskopsammelfläche<br />
<strong>und</strong> der räumlichen Auflösung. Fast alle<br />
Partner im LBT-Konsortium, insbesondre das MPIA,<br />
haben bereits Zugang zu Teleskopen der 8-m-Klasse<br />
<strong>und</strong> modernster Instrumentierung. Indem wir uns auf<br />
die einzigartigen Aspekte des LBT konzentrieren,<br />
insbesondere auf die Interferometrie, werden wir in<br />
der Lage sein, diese konkurrierenden Einrichtungen<br />
zu übertreffen.<br />
4. Schließlich, <strong>und</strong> das ist das Wichtigste, wird uns die<br />
Fizeau-Interferometrie am LBT sehr viel bessere <strong>und</strong><br />
neuartige wissenschaftliche Beobachtungen ermöglichen.<br />
Insbesondere können wir mit Hilfe der Fizeau-<br />
Interferometrie unsere wertvollen Spiegel auf eine<br />
Weise nutzen, bei der Empfindlichkeit, räumliche<br />
Auflösung <strong>und</strong> Gesichtsfeld erhalten bleiben.<br />
Das LINC-NIRVANA-Instrument<br />
LINC-NIRVANA nahm seinen Anfang als zwei vom<br />
MPIA <strong>und</strong> italienischen LBT-Partnern getrennt vorge-<br />
schlagene Projekte. Die ursprünglichen Entwürfe verlangten<br />
eine Strahlvereinigung mit relativ kleinem Gesichtsfeld<br />
unter Verwendung des normalen adaptiven Optik-<br />
systems der Einrichtung. 2001 legte man die beiden Pro-<br />
jekte zusammen, <strong>und</strong> schon bald danach erkannte das<br />
Team, dass mit Hilfe der adaptiven Sek<strong>und</strong>ärspiegel des<br />
LBT <strong>und</strong> ein oder zwei zusätzlichen deformierbaren Spiegeln<br />
eine multikonjugierte adaptive Optik möglich wäre.<br />
MCAO vergrößert nicht nur das verfügbare Gesichtsfeld<br />
sondern erlaubt auch die Verwendung sehr viel schwächerer<br />
einzelner Leitsterne, was zu einer deutlichen Erweiterung<br />
des beobachtbaren Himmelsausschnitts führt.<br />
Seit 2001 hat das Team den Konstruktionsentwurf<br />
des Instruments ständig verbessert <strong>und</strong> eine Reihe von<br />
Experimenten zur Konzeptüberprüfung sowie Prototypen<br />
entwickelt. Im Jahr 2002 schloss sich die Universität<br />
Köln dem Projekt an mit dem Ziel, die Hardware <strong>für</strong><br />
den Streifenmusterstabilisator <strong>und</strong> den Kryostaten <strong>für</strong><br />
den Wissenschaftskanal zu liefern. Ab 2003 brachte das<br />
MPI <strong>für</strong> Radioastronomie in Bonn seine Erfahrung bei<br />
der Bildentfaltung sowie beim Betrieb von schnellen,<br />
rauscharmen Infrarotdetektoren in das Konsortium ein.<br />
Im Berichtsjahr selbst stießen noch kleine Gruppen aus<br />
Rom <strong>und</strong> Genua zum LINC-NIRVANA-Team, die an der<br />
optischen Sucherkamera bzw. der Bildverarbeitung mitarbeiten.<br />
Den ersten wichtigen Meilenstein passierte das Projekt<br />
im April 2003 mit dem erfolgreichen Abschluss des<br />
»Preliminary Design Review« (Vorläufige Konstruktionsüberprüfung).<br />
Das »Final Design Review« ist <strong>für</strong> den<br />
Frühsommer 2005 angesetzt.<br />
Astronomische Leistungsmerkmale<br />
Räumliche Auflösung: Das Punktbild von LINC-NIR-<br />
VANA wird eine Fläche haben, die 400-mal kleiner ist als<br />
gute, durch das Seeing begrenzte Bilder, 100-mal kleiner<br />
als das Punktbild des HUBBLE-Weltraumteleskops <strong>und</strong><br />
10–15-mal kleiner als das des James-Webb-Weltraumteleskops<br />
(JWST) oder eines 8-m-Teleskops mit adaptiver<br />
Optik. Eine solcher Sprung im Auflösungsvermögen geht<br />
direkt einher mit einem besseren Verständnis des Universums.<br />
So zeigt zum Beispiel Abb. IV.1.3, wie sich diese<br />
höhere Auflösung auf die beobachtbare Morphologie<br />
weit entfernter Objekte auswirkt.<br />
Bei Beobachtungen, die durch statistisches Hintergr<strong>und</strong>rauschen<br />
beschränkt sind, führt eine Verringerung<br />
der Größe des Punktbildes direkt zu einer Steigerung der<br />
Empfindlichkeit. In Tabelle IV.1.1 ist angenommen, dass<br />
die Energie der Punktquelle über das ganze Punktbild<br />
des Einzelteleskops verteilt ist <strong>und</strong> herkömmliche Bild-<br />
verarbeitung angewendet wird. Das LINC-NIRVANA-Team