V Menschen und Ereignisse - Max-Planck-Institut für Astronomie
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zutage davon aus, dass er das Ausgangsmaterial <strong>für</strong><br />
die Entstehung aller Planeten darstellt. In diesem<br />
Zusammenhang spricht man statt von zirkumstellaren<br />
auch oft von »protoplanetaren« Scheiben.<br />
Wie kommt man aber von Staubkörnern mit Radien<br />
von Submikrometergröße zu Planeten mit Durchmessern<br />
von mindestens einigen tausend Kilometern? Man nimmt<br />
an, dass dieser Prozess über drei qualitativ verschiedene<br />
Zwischenphasen verläuft.<br />
In der ersten Phase wachsen aus den mikroskopischen<br />
Staubpartikeln Körper mit Radien im Zentimeterbereich.<br />
Der hierbei dominierende Prozess nennt<br />
sich Koagulation, d.h. das einfache <strong>und</strong> – entsprechend<br />
den Ergebnissen aus Laborexperimenten – sehr effek-<br />
tive Aneinanderhaften der kleinen Staubpartikel.<br />
Voraussetzung da<strong>für</strong> ist, dass die kleinsten Staubpartikel<br />
sich aufgr<strong>und</strong> der Brownschen Molekularbewegung<br />
relativ zueinander bewegen. Die Haftung wird bei<br />
diesen kleinen Partikeln durch Oberflächenkräfte erzeugt<br />
<strong>und</strong> benötigt keinen speziellen Klebstoff. Weitere<br />
wichtige physikalische Prozesse während dieser Wachstumsphase<br />
sind das Absinken der größeren Partikel zur<br />
Scheibenmittelebene (»Sedimentation«), radiale Transportprozesse<br />
(Drift- <strong>und</strong> Mischungsprozesse) sowie<br />
Turbulenz in der Scheibe. Diese gesamte Phase verläuft<br />
wahrscheinlich sehr schnell: in nur zehn- bis h<strong>und</strong>erttausend<br />
Jahren.<br />
Das weitere Wachstum hin zu kilometergroßen Körpern<br />
über ähnlich einfache Koagulation ist unwahrscheinlich.<br />
Weder experimentelle Daten noch theoretische<br />
Modelle können derzeit dieses Wachstum schlüssig<br />
erklären. Weder ist bekannt wie zwei faustgroße Steine<br />
aneinander haften sollen, noch wissen wir, inwieweit<br />
sich metergroße Felsen bei einer Kollision nicht wieder<br />
in Staub auflösen. Als theoretische <strong>und</strong> computergestützte<br />
Alternative bietet sich ein Gravitationskollaps<br />
an. Ähnlich wie einst der Stern aus einer Molekülwolke<br />
entstand, können die kilometergroßen, Planetesimale<br />
genannten Brocken auch bei einem Gravitationskollaps<br />
einer Wolke aus metergroßen Felsen entstehen. Die entsprechenden<br />
Computersimulationen sind Gegenstand der<br />
aktuellen Forschung, auch am MPIA.<br />
Eine zweite Wachstumsphase beginnt, sobald sich Planetesimale<br />
von 1 bis 10 km Größe gebildet haben. Die<br />
größten dieser Körper können über gravitative Wech-<br />
selwirkung kleinere aufsammeln. Diese Phase ist durch<br />
ein schnelles Wachstum einiger weniger großer Körper<br />
geprägt <strong>und</strong> wird daher auch als »oligarchisches« Wachs-<br />
tum bezeichnet. Man vermutet, dass nach einigen Millionen<br />
Jahren terrestrische Planeten oder die Kerne späterer<br />
Riesenplaneten entstanden sind. Auf letztere wird<br />
im Laufe der dritten <strong>und</strong> damit abschließenden Phase<br />
Gas aus der Scheibe akkretiert – <strong>und</strong> die Gasriesen sind<br />
geboren.<br />
Sowohl die Entstehung der Planetenkerne als auch die<br />
Akkretion des Gases kann seit langem im Computer abgebildet<br />
werden. Ein großes Problem stellen jedoch die<br />
III.2 Staub im Computer: Numerisches zur Entstehung von Planeten 53<br />
Zeitskalen dar, welche der Computer <strong>für</strong> diese Prozesse<br />
vorhersagt. Unter günstigen Voraussetzungen dauert jeder<br />
einzelne Prozess wohl zehn Millionen Jahre, was bei<br />
einer aus Beobachtungen geschätzten Lebenserwartung<br />
der Protoplanetaren Scheiben von weniger als zehn<br />
Millionen Jahren als zu lang erscheinen muss. So versucht<br />
man immer detailliertere Modelle in den Computer<br />
zu stecken, mit immer mehr relevanten physikalischen<br />
Effekten, die den Planetenentstehungsprozess beschleunigen.<br />
Es sei noch erwähnt, dass in einem alternativen<br />
Entstehungsszenarium die Gasplaneten, ähnlich wie zuvor<br />
der Stern im Zentrum, direkt aus der Gasphase des<br />
Urnebels durch Gravitationskollaps in kürzester Zeit ent-<br />
stehen. Doch haben auch hier die numerischen Simulationen<br />
kein eindeutiges Ergebnis erbracht.<br />
... <strong>und</strong> wird dabei beobachtet!<br />
So weit die theoretischen Vorhersagen. Welche Möglichkeiten<br />
haben wir, neben Laborexperimenten <strong>für</strong> das<br />
Wachstum kleinster Partikel, dieses Bild zu überprüfen?<br />
Zum einen kann man simulieren, wie sich die optischen<br />
Eigenschaften des Staubes während seiner Entwicklung<br />
verändern <strong>und</strong> gezielt nach diesem größeren Staub suchen.<br />
Zum anderen kann man sich überlegen, inwiefern<br />
bereits gebildete Planeten auf die zirkumstellare Scheibe<br />
rückwirken <strong>und</strong> dadurch – gegebenenfalls indirekt – nachgewiesen<br />
werden können. Auf die zweite Frage werden<br />
wir im vorletzten Abschnitt gesondert eingehen.<br />
Wodurch kann man nun kleinen Staub, d.h. submikrometergroße<br />
Körner, von Staub mit 100- bis 1000-fach<br />
größeren Radien unterscheiden? Hierzu gibt es mehre-<br />
re Ansätze, die wir kurz vorstellen wollen:<br />
Die spektrale Energieverteilung im (Sub-) Millimeterbereich<br />
Da es nur wenige Bilder räumlich aufgelöster zirkumstellarer<br />
Scheiben gibt, kommt der Interpretation der spek-<br />
tralen Energieverteilung eine besondere Rolle zu (Abb.<br />
III.2.1). Dummerweise gibt es selbst bei einfachen Schei-<br />
benmodellen so viele freie Parameter, dass sich ein ein-<br />
deutiges Modell nur schwer finden lässt, <strong>und</strong> damit de-<br />
taillierte Aussagen bis hin zu den Eigenschaften des Stau-<br />
bes in den Scheiben mit Vorsicht zu genießen sind. Ins-<br />
besondere wurde festgestellt, dass die spektrale Energie-<br />
verteilung vieler zirkumstellarer Scheiben bei Wellenlängen<br />
größer als 400 Mikrometer schwächer abfällt, als<br />
die in interstellaren Wolken gemessene. Man war in der<br />
Vergangenheit schnell versucht, dies durch einen verringerten<br />
Emissionsexponenten infolge Staubkornwachstums<br />
zu erklären. Allerdings ist dieser Ansatz nur gerechtfertigt,<br />
wenn die Scheibe in diesem Wellenlängenbereich<br />
optisch dünn ist. Ist dies nicht der Fall, so würde allein<br />
die zu größeren Wellenlängen hin zunehmende sichtbare<br />
Staubmasse den verringerten Abfall der spektralen<br />
Energieverteilung erklären.