Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
– Angehörige gehen oft an die Grenzen ihrer Kräfte<br />
und äussern ihr Bedürfnis nach Unterstützung nur<br />
zurückhaltend oder gar nicht.<br />
– Angehörige werden in ihren Informations und<br />
Hilfsbedürfnissen von medizinischen Fachpersonen<br />
signifikant weniger erkannt und beachtet<br />
als Patienten.<br />
– Informationen über bestehende Angebote sind<br />
oft nicht vorhanden und sogar Ärzten und Pflegepersonal<br />
nicht bekannt.<br />
– Onkologische Fachpersonen konzentrieren sich<br />
auf biomedizinische Kernbereiche und schenken<br />
deswegen den psychosozialen Bedürfnissen<br />
wenig Aufmerksamkeit.<br />
– Die Inanspruchnahme psychologischer Hilfsangebote<br />
ist nach wie vor stigmatisierend (sowohl<br />
aus der Sicht von Betroffenen als auch aus der<br />
von Fachpersonen).<br />
Die Schwelle, psychoonkologische Angebote in Anspruch<br />
zu nehmen, sinkt, wenn psychoonkologische<br />
Dienste eng in das medizinische Umfeld eingebunden<br />
sind. Studien zeigen, dass diese häufiger genutzt<br />
werden, wenn die psychoonkologische Fachperson<br />
dem Patienten persönlich bekannt ist, als wenn im<br />
Wartezimmer unpersönliche Informationen aufliegen.<br />
Will man Angehörige mit einem psychoonkologischen<br />
Angebot erreichen, muss dieses in den<br />
Behandlungs und Betreuungsprozess integriert wer<br />
den. Den behandelnden Medizinern und deren Kom<br />
munikation mit den Betroffenen kommt hier eine<br />
wichtige Rolle zu. Ob und in welcher Art sie die psy<br />
chische Situation ihrer Patienten und deren Angehö<br />
riger ansprechen, dürfte Signalwirkung haben. Akti<br />
ves und professionelles Zuhören und Kommunizieren<br />
der Primärbehandelnden kann entscheidend dafür<br />
sein, ob die Betroffenen die notwendige Hilfe in Anspruch<br />
nehmen.<br />
Bestehende Unterschiede und Lücken<br />
In <strong>Deutsch</strong>land sind zum Beispiel Personen deutscher<br />
Muttersprache gegenüber einer Psychotherapie positiver<br />
eingestellt als Personen, deren Muttersprache<br />
Türkisch ist. Diese Tatsache dürfte auch für die<br />
<strong>Schweiz</strong> sowie für weitere Gruppen mit Migrationshintergrund<br />
gelten. Deswegen dürfte die psychotherapeutische<br />
Unterversorgung bei der Migrationsbevölkerung<br />
noch ausgeprägter sein als bei der<br />
Gesamtbevölkerung. Unterschiede zeigen sich auch<br />
zwischen den Geschlechtern: Im Allgemeinen machen<br />
mehr Frauen als Männer eine Psychotherapie. Bei<br />
Menschen, die an Krebs erkrankt sind, trifft dies<br />
jedoch nicht immer zu. Männer sind nicht grundsätz<br />
lich psychisch gesünder. Wohl eher liegt bei ihnen die<br />
Hemmschwelle zur Inanspruchnahme psychothera<br />
peutischer Leistungen höher.<br />
Grosse Defizite bei der psychoonkologischen Versor<br />
gung der Angehörigen von Krebsbetroffenen beste<br />
hen in der Belastungs und Bedarfserfassung, der In<br />
formation über verfügbare Unterstützungsangebote<br />
sowie deren Finanzierung. Um solche Lücken zu<br />
schliessen, sind Massnahmen in folgende Richtungen<br />
nützlich:<br />
– systematische Belastungs und Bedarfserfassung<br />
(psychosoziales Screening), auch der Angehörigen,<br />
ab Diagnosestellung und wiederholt bis zur<br />
Rehabilitation des Patienten oder einige Monate<br />
über dessen Tod hinaus;<br />
– Verbesserung des Informationsstands der<br />
Primärbehandelnden bezüglich psychosozialer<br />
Unterstützungsangebote;<br />
– Ergänzung und Differenzierung des Versorgungsangebots<br />
(Triage): Unterscheidung von psychoonkologischer<br />
Beratung und Psychotherapie;<br />
– national einheitliche Regelung der Finanzierung<br />
durch die Grundversicherung;<br />
– Förderung der psychoonkologischen Versorgungsforschung.<br />
117