vollständige Magisterarbeit - Socialnet
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Familiensozialisation bei den Spätaussiedlern<br />
32<br />
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Die junge Generation in den Nachfolgestaaten der UdSSR ist, laut Un-<br />
tersuchungen von Slepzow und Rewenko (Slepzow/Rewenko, 1993 S.<br />
33f), wenig an Politik oder gesellschaftlichen Verpflichtungen interes-<br />
siert. Große Bedeutung wird dagegen dem Privatbereich – der Familie<br />
und den Freunden – beigemessen. Bei einer Umfrage von Slepzow und<br />
Rewenko, die sich mit den Lebenszielen von Jugendlichen beschäftigte,<br />
war die Mehrheit der jungen befragten Jugendlichen an erster Stelle<br />
weder an Geld noch an Karriere interessiert. Bei 79% der Jugendlichen<br />
in Russland stellen gute familiäre und freundschaftliche Verhältnisse die<br />
wichtigsten Lebensziele dar. Viele Jugendliche wünschen sich eine ei-<br />
gene Familie zu gründen. Obwohl im Vergleich zum Ende der achtziger<br />
Jahre weniger Ehen in Russland geschlossen werden, ist das Heiratsal-<br />
ter gesunken, was auf einen Rückzug in die Privatsphäre hindeutet<br />
(Dietz, 1996).<br />
Das bestimmte Familienbild – nämlich: erwerbstätige, dazuverdienende<br />
Frau als Behüterin der Häuslichkeit und der Mann als Haupternährer<br />
und der Oberhaupt der Familie – bleibt über die Jahrzehnte stabil. Es<br />
wird eher an dem tradierten Rollenmuster angeknüpft, als diese in Fra-<br />
ge gestellt. Die „urweiblichen“ Aufgaben in der häuslichen Reprodukti-<br />
onssphäre werden immer wieder an das Frauenbild angeknüpft (Egge-<br />
ling, 1999 S. 156). Etwa 93% aller Frauen in Russland sind berufstätig.<br />
Dieses ist ein ganz entscheidendes Merkmal des sowjetischen Famili-<br />
enbildes. Ein dichtes Netz von ganztägigen Kinderbetreuungseinrich-<br />
tungen, Krippen und Kindergärten steht im Wohnviertel oder im Betrieb,<br />
zur Verfügung. Dieses bedeutet, dass die Sozialisation zu einem gro-<br />
ßen Anteil in außerfamiliären Institutionen stattfindet.<br />
Die Berufstätigkeit der Frauen und die gewährleistete institutionelle<br />
Versorgung der Kinder sind vermutlich für relativ frühe Eheschließung<br />
und auch frühe Elternschaft verantwortlich. Zudem sichert eine frühe<br />
Eheschließung den Anspruch auf eine eigene Wohnung, auf deren Zu-<br />
teilung jedoch noch mehrere Jahre gewartet werden muss. Solange lebt<br />
ein junges Paar zusammen mit den Eltern oder den Großeltern, oft<br />
auch in Wohnheimen oder angemieteten Zimmern (ebd. S. 157).