vollständige Magisterarbeit - Socialnet

Schulische Sozialisation bei den Spätaussiedlern
71
_________________________________________________________
Weitere Ziele der Reform waren die komplette Überarbeitung des Curri-
culums, die Verbesserung der Lehrerweiterbildungsmaßnahmen und
Neuschreibung der Schulbücher, aber auch Einführung von Computern
im Unterricht und die Neuregelung der Lehrer-Schüler Beziehung
(Eklof, 1993 S. 7). In den nächsten Jahren haben sich die politischen
Ereignisse in dem Staat überschlagen (Perestrojka, Tschernobyl-
Katastrophe, Erdbeben in Armenien) und die Reform fand nur sehr
schleppend ihre praktische Umsetzung. Dennoch fand die Umsetzung
statt und die Reform spiegelte sich in dem neuen Schülerbild wider. Die
Ziele der russischen Schule der neunziger Jahre waren: die Freiheit der
Persönlichkeit, der Individualität und die Mannigfaltigkeit des Indivi-
duums (Sutherland, 1999 S. 112).
Was auch die neue Reform nicht geschafft hat, ist die Schüler zu ent-
lasten. Eine neue Studie belegt, dass die russischen Schüler etwa 25%-
30% mehr in der Schule belastet sind als die Schüler in Europa. („Kom-
somolskaja Prawda“ (russische Tageszeitung), 17.01.2005.)
Viele deutschsprachige Autoren, wie zum Beispiel Barbara Dietz oder
Line Kossolapow beschreiben in ihren Anmerkungen zu der russischen
Schule eher das klassische sowjetische Schulsystem mit der kollektivis-
tischen Haltung im Sinne von Frontalunterricht und Disziplinärmaßnah-
men. Nach der genauen Betrachtung der Literatur aus dem englisch-
sprachigen Raum müsste diese Haltung überholt und veraltet sein. Die
Reform der Bildungsstruktur ist keine neue Entwicklung, sie fand schon
in den achtziger Jahren ihren Anfang. Daher müssten nicht nur die
Spätaussiedler (zur Erinnerung: Aussiedler, die nach dem 31.12.1992
einen Aufnahmebescheid gemäß § 26 BVFG erhalten haben und sich
seit dem 1.1.1993 in der BRD aufhalten, bekommen einen Spätaussied-
lerstatus) sondern sogar die Aussiedler aus Russland (bzw. aus der
ehemaligen UdSSR) ihre Auswirkungen mitbekommen haben.
Strobl und Kühnel weisen auf eine bestimmte Entwicklung in dem russi-
schen Bildungssystem hin: