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pdf (559 KB) - Mediaculture online

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möchte ich mir erlauben, einiges Grundsätzliche herauszuschälen. Warum<br />

Rundfunk und Dichtung in Gegensatz bringen? Die Fragestellung lautet: wie ist<br />

dieser anscheinende Gegensatz zu überbrücken?<br />

Gestern hat Herr Paquet außerordentlich Beachtenswertes mitgeteilt. Er erzählte,<br />

wie er bei seiner ersten Vorlesung vor einem Mikrophon das wichtige Problem,<br />

das Formproblem von Dichtung und Rundfunk erlebte. Er schilderte, wie ihm<br />

während des Vortrages die von ihm geschaffene Form gewissermaßen zerrann,<br />

und wie er während des Sprechens instinktiv eine Neugliederung vornahm,<br />

zusammenfaßte, konzentrierte, kurzum also eine radikale Tempoverlagerung<br />

vornahm. Herr Paquet hat also nicht nur den Rundfunk als den großen Vermittler<br />

erlebt, sondern als das Instrument, das aus dem Dichter den eigenen Ton zieht<br />

und von ihm fordert. Und diese Forderung, meine Herren, ist nachdrücklich zu<br />

erheben. Sonst ist der Rundfunk ein Kulturverschleißinstitut, sonst wird er nichts<br />

anderes als ein ungegliedertes Gebilde von bildungsmäßigem Ungeschmack. Der<br />

Autor muß lernen, mit dem Rundfunk und seinen künstlerischen Gesetzen zu<br />

rechnen. Es geht nicht nur an, Novellen und Gedichte und Dramen vorlesen zu<br />

wollen oder sprechen zu lassen. Es geht nicht an, einer werdenden akustischen<br />

Kunst, die das Wort vertausendfacht, konservativ rückwärts gerichtet das<br />

Kunstideal des Schrifttums gegenüberzustellen. Es geht darum, zu einer<br />

produktiven Zusammenarbeit zu gelangen, das in ihren Schriften eingelagerte<br />

Bild der Welt in der neuen Form des Rundfunks auftönen zu lassen. Die Lösung<br />

des Problems liegt dort, wo der Versuch unternommen wird, die dichterische<br />

Äußerung in eine funkgesetzliche Gliederung einzubeziehen. Daher meine<br />

Forderung: daß im Augenblick jegliche Literatur dem Rundfunk und seinen<br />

beispiellosen akustischen Möglichkeiten erst einmal nichts anderes zu bedeuten<br />

hat als geistig- stoffliche Substanz, die, in eine bestimmte Funkform verarbeitet,<br />

erst dann zu letzter hörmäßiger Wirkung gelangen kann, wenn sie ein funkisch-<br />

produktiver Einfall zusammenschließt. Ich weiß, meine Herren, alles das klingt<br />

wie Ketzerei an der Dichtung, die Sie uns gegenüber zu vertreten haben. Aber wir<br />

haben alle in einer Zeit der Umwandlung gewisser Wertkategorien nicht das<br />

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