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pdf (559 KB) - Mediaculture online

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daß der Verstand des Hörers nicht nur sofort begreift, Sondern daß auch seine<br />

Phantasie durch das Ohr alle Anregung empfängt, um jene schwankende<br />

Zwiespältigkeit oder jene unheimliche Unwirklichkeit eines scheinbar Seienden<br />

erst zu gestalten und dann zu erleben. Dem Funkregisseur steht hier ein<br />

Reichtum von Hörwirkungen zur Verfügung, welche die Wirkungsmöglichkeiten<br />

auf das Auge weit übertreffen. Da der Darstellung eines Dramas allein für das<br />

Ohr jenes Hin und Her zwischen Auge und Ohr fehlt, das vor der Schaubühne<br />

bald den einen, bald den anderen der beiden Sinne ein wenig ausruhen und<br />

gewissermaßen zu Atem kommen läßt, muß die Dramenpartitur mit einer<br />

Unerbittlichkeit auf das Wesentliche revidiert werden, die man als<br />

Schauspielregisseur zwar anstrebt, die man jedoch allein als Hörspielregisseur<br />

wirklich lernen kann, und zwar meiner Erfahrung nach zum Besten des<br />

Dichtwerks. Zu dieser notwendigen Komprimierung des Wesenhaften und<br />

Wesentlichen tritt auf der Hörbühne der durch keine Umbauten zerrissene,<br />

unaufhaltsame Ablauf des Dichtwerkes, der das gesamte seelische und geistige<br />

Wesen des Hörers in atemloser Gespanntheit dem Dichterwillen untertan und<br />

unentrinnbar im Banne der unaufhaltsam weiterklingenden Hörwelt erhält.<br />

Ein Philologe und Germanist hat mir zwar widersprochen, aber ich wiederhole<br />

noch einmal: das Urelement der dramatischen Partitur scheint mir das Wort,<br />

scheint mir die Sprache zu sein, und der Rundfunk bedeutet die Reintronisation<br />

ihrer ursprünglichen Macht, die wir fast vergessen hatten. Der Hörspieler, erlöst<br />

von der hemmenden Zwangsvorstellung des vergessenen Textes, befreit von<br />

Schminke, Kostüm und aller körperlichen Ablenkung, ist für seine Wirkung einzig<br />

und allein gestellt auf die seelische und gedankliche Erfülltheit seines Innern, das<br />

sich nicht anders als in den abertausendfachen Tönungen des gemeisterten<br />

Wortklangs offenbaren kann. Vertiefung in die Dichtung und durch die Dichtung<br />

heißt für ihn also Leben oder Sterben, und wehe ihm, wenn er nicht ein Mensch<br />

ist; den größten, den berühmtesten Komödianten zerbricht das Mikrophon bis<br />

zur Kläglichkeit.<br />

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