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pdf (559 KB) - Mediaculture online

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man in Büchern und Zeitungen findet, vorliest. Darüber sind wir aber hinaus. Wir<br />

finden das eigenste Wesen des Rundfunks darin, daß er es gestattet, als Träger<br />

des Gedankens nicht den Buchstaben, sondern die menschliche Stimme zu<br />

benutzen. Nicht die Tatsache schnellster Verbreitung, sondern die Form der<br />

Übermittlung ist das erschreckend Besondere. Und diese Eigentümlichkeit ist so<br />

stark, daß sie auch die Form des durch Rundfunk zu Sagenden anders gestalten<br />

muß als den zum Lesen bestimmten Zeitungsartikel. Viel mehr möchten wir uns<br />

beim Rundfunkessay an den öffentlichen Vortrag anlehnen.<br />

Aber auch hier besteht ein prinzipieller Unterschied: zunächst fehlt im Rundfunk<br />

der unmittelbare Kontakt zwischen Redner und Hörer, der im Vortragssaal den<br />

Redner beeinflußt, und dann sprechen wir durch den Rundfunk nicht zur<br />

„kompakten“ Masse, sondern zu einer unabsehbar großen Masse von<br />

Einzelpersonen; wir wenden uns an einen Hörer mit x multipliziert. Ernst Hardt<br />

hat einmal diesen Gedanken sehr hübsch weitergeführt, indem er sagte, bei<br />

einem Radiovortrag müsse man daran denken, daß man jedem Hörer etwas ins<br />

Ohr sage. Ein sehr richtiger und hübscher Gedanke, der einem das tolle<br />

Phänomen vor Augen führt, daß man vom Senderaum aus hunderttausend<br />

Einzelwesen, die man nicht sieht und nicht kennt, auf das persönlichste anreden<br />

soll. Das Rundfunk- Essay soll also auf Tausende wirken und doch wieder nur auf<br />

einen Einzigen, Unbekannten. Und dieser Unbekannte soll paradoxerweise<br />

individuell behandelt werden.<br />

Aber die Eigenart des Rundfunks geht noch weiter, und seine letzte Besonderheit,<br />

mit nichts anderem vergleichbar, liegt darin, daß zum Unterschied von einer<br />

Grammophonplatte, die das auf sie Gesprochene zeitlich später wiedergibt, genau<br />

so wie bei einem Gespräch oder wie bei einer Vorlesung der Hörer im gleichen<br />

Augenblick aufzunehmen hat, was der Sprecher sagt. Die Gleichzeitigkeit von<br />

Sagen und Hören, von Geben und Empfangen, trotz räumlicher Trennung, ist<br />

seine sublimste Eigenart, und das führt - ich habe keine Zeit, es ausführlicher zu<br />

begründen - zu der letzten und höchsten Forderung: das Essay des Rundfunk-<br />

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