pdf (559 KB) - Mediaculture online
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Essayisten darf nicht nach diesen oder jenen Gesetzen verfaßt und aufgesetzt<br />
sein, es sollte eigentlich in seiner besten Form überhaupt nicht vorher zu Papier<br />
gebracht und dann verlesen werden. Der Rundfunk- Essayist müßte vor dem<br />
Mikrophon und ohne andere Vorbereitung als die seines wirklichen und<br />
gründlichen Wissens, seiner Beherrschung der Materie und seiner Überlegenheit<br />
über die Schwierigkeiten des sprachlichen Ausdrucks im Augenblick des<br />
Sprechens, dem gleichen Augenblick, in dem gehört wird, frei und zwanglos<br />
seinen Gedanken sprachliches Leben verleihen. Hier scheint mir eine<br />
Grundforderung für die Form des Rundfunk- Essays zu liegen. Ein Vortrag; der<br />
einen Gedanken erläutern, in knappster Zeit und konzentrierter Darlegung<br />
verständlich machen soll, bedarf vielleicht der ausgearbeiteten Unterlage und<br />
mag verlesen werden; beim Essay aber diene das Mikrophon einer ungeheuren<br />
Menge zum Miterleben eines dichterischen Moments.<br />
Erlauben Sie mir eine Einschränkung: ein derartiges Rundfunk- Essay ist eine<br />
Idealerscheinung. Es ist durchaus zu befürchten, daß von Hunderten, die diesen<br />
Versuch machen würden, neunzig versagen müßten, und daß von diesen neunzig<br />
wieder fünfzig ein brauchbares Essay liefern könnten, das sie vorher<br />
aufgeschrieben hätten, und das doch kein Druck- , sondern ein Rundfunk- Essay<br />
wäre. Was aber in diesem Fall durch das Mikrophon kommt, ist kein Rundfunk-<br />
Essay in der reinsten Form, es ist vielmehr so etwas wie ein Hörspiel. Jemand, der<br />
die Gesetze des Rundfunks kennt, liefert eben eine brauchbare Form des<br />
Rundfunk- Essays, das er nachher vorliest; die ideale Form aber stellt das freie<br />
Rundfunk- Essay, im gleichen Moment konzipiert, gesprochen und aufgenommen,<br />
dar.<br />
Ich darf zusammenfassen: das Rundfunk- Essay, das durch das gesprochene Wort<br />
wirkt, stellt stilistisch und formal eine andere Gedankenübermittlungsform dar<br />
als das geschriebene. Der Unterschied resultiert zunächst aus der<br />
Verschiedenartigkeit des Mediums: beim Buch der Buchstabe, im Rundfunk die<br />
menschliche Sprache. Vom öffentlichen Vortrag grenzt es sich ab durch die<br />
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