pdf (559 KB) - Mediaculture online
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Schauspielers mit sich bringt, das wundervolle Phänomen, daß ein lebender<br />
Mensch zur Ausdruckskraft einer Seelenregung wird, mit seinem ganzen Körper,<br />
bekleidet oder nackt. Und die dritte sind jene hohen Augenblicke des Dramas, wo<br />
die Worte des Dichters plus der Anwesenheit eines Mimen plus seiner Gebärde in<br />
eine Sphäre des Schicksalhaften hinauflangen und damit durch die pure Tatsache<br />
des Sakramentalen ein Grundverhältnis des Menschen zum Rätsel seines Daseins<br />
anschaulich darstellen. Diese Dinge, z. B. die anschauliche Blindheit des Oedipus,<br />
können Sie im Rundfunk durch nichts ersetzen. Sie müssen bei der Auswahl der<br />
Dramen, die Sie senden, diese Tatsachen mit in Kauf nehmen, und wenn Sie sich<br />
an die großen Werke der Weltliteratur wagen, darauf sinnen, wie Sie vorher<br />
irgendein Surrogat einfügen, das dem Zuschauer - dem unsichtbaren Hörer -<br />
diesen Schicksalspunkt hervorhebt. Ebenso pathetische Szenen gibt es auch in<br />
der Komödie, vor allem bei Aristophanes und Shakespeare.<br />
Wir wollen keinen Ersatz für die Schaubühne. Wir wollen, daß die Schaubühne<br />
wieder anfängt, ihre alte Gewalt zu bekommen und ein Wesenselement wird für<br />
unsere Erlebnisse, die wir als Dichter gestalten, und für unsere Erlebnisse als<br />
Zuschauer, die wir erschüttert sein wollen.<br />
Ernst Hardt: Ich muß Herrn Arnold Zweig auf seine Ausführungen erwidern, daß<br />
ich von ihm irgendwie mißverstanden worden bin. Ich habe nicht gesagt, daß die<br />
Hörbühne an die Stelle der Schaubühne treten soll. Ich habe nur zeigen wollen,<br />
bis zu welchem Grad die Hörbühne in der Lage ist, Wirkungen der Schaubühne<br />
notgedrungen in das Hörbare zu übertragen. Ich bin ein sehr schlechter<br />
Theoretiker. Wir lernen am besten aus Erlebnissen. Ich hatte auch die Absicht,<br />
Ihnen ein paar besondere Beispiele aus Hamlet hier zu zeigen. Die<br />
Totengräberszene stellt dem Regisseur gewiß eine große Aufgabe. Darf ich kurz<br />
sagen, wie ich sie gelöst habe? Ich habe mir erlaubt, einen der Verse, die der alte<br />
philosophische Totengräber später singt, an den Anfang des Aktes zu setzen, so<br />
daß schon hinter dem unsichtbaren Vorhang seine bekanntlich immer versoffene<br />
Stimme gehört wird. Gleichzeitig stieß er rhythmisch mit dem Spaten zu seinem<br />
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