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Bühnenbearbeitung. Theater und Funk müssen ihre literarischen Stoffe<br />
dramaturgisch bearbeiten und dürfen es auch, solange sie das innere Wesen des<br />
Originals nicht zerstören und innerhalb der Grenzen des künstlerisch<br />
Vertretbaren bleiben. Wenn der Rundfunk Lyrik, Epik und Essayistik in funkisch<br />
richtiger Auswahl und mit hochwertiger Sprechkultur wiedergibt, so ist seine<br />
Leistung künstlerisch unbedingt positiv. Wenn auch diese Literatur heute zumeist<br />
als Leseliteratur geschrieben wird, so kann das doch niemals heißen, daß sie<br />
einer Wiedergabe durch das lebendige Wort unzugänglich sei. Im Gegenteil: die<br />
echte große Lyrik entsteht nicht am Schreibtisch und nicht für das Buch. Goethe<br />
hat seine Gedichte im Schreiten gefunden, aus der Bewegung, dem Rhythmus, der<br />
Melodie konzipiert. Gelesene Lyrik ist leblos. Der Rundfunk aber ist ein solcher<br />
Sprecher, ein Barde des 20. Jahrhunderts. Dies hat auch mein Herr Vorredner<br />
betont. Schwierig wird die Funkaufgabe erst beim dramatischen Teil. Hier wirft<br />
man dem Rundfunk vor, daß er dreidimensional Gedachtes auf eine Dimension zu<br />
übertragen versuche. Meine Herren, das ist ja gar nicht richtig. Nämlich die eine<br />
Dimension, die Hörfläche, ist ja nur Durchgangsstufe. Der lauschende<br />
Rundfunkteilnehmer hört eindimensional, aber er gestaltet in seiner Phantasie<br />
sofort und automatisch dreidimensional. Wir vergessen hier immer zweierlei: das<br />
Wesen des Lauschens, das es in funktioneller Hochzüchtung vielleicht nur noch<br />
beim täglich intensiv hörenden Rundfunkteilnehmer gibt, - und die aus solcher<br />
Hörschulung hervorgehende, ganz unglaubliche Aktivierung und Verinnerlichung<br />
der Phantasie. So erlebt der Rundfunkhörer in täglich erneuten Momenten<br />
schärfster innerer Konzentration eine wahre Allmacht des Wortes und seiner<br />
Bildkraft. Ich behaupte, daß der zu solcher Konzentration erzogene<br />
Rundfunkhörer an Umsetzung von Gehöreindrücken in Bildvorstellungen<br />
Leistungen fertigbringt, die kein noch so vollendeter Bühnennaturalismus<br />
erreicht. Wenn es nur gelingt, den Gehöreindruck akustisch richtig zu erzeugen,<br />
dann, meine Herren, können Sie dem Lauscher im Rundfunk zumuten, was Sie<br />
wollen; er formt das gewünschte Bild daraus, auch in der vierten Dimension! Auch<br />
hier liegen die Schwierigkeiten nicht in der Sache an sich, sondern nur in der<br />
Form, - in den Personen sowohl der Sprecher wie der Dichter.<br />
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