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pdf (559 KB) - Mediaculture online

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vergessen, daß es zwei Formen der Epik gibt. Eine, ich möchte sie die „rein<br />

epische Epik“ nennen und dabei ihren Hauptvertreter Gottfried Keller. Es handelt<br />

sich hier um eine Diktion, die hemmungslos stundenlang, tagelang dahinfließt, in<br />

aller Großartigkeit freilich, die aber trotzdem meiner Meinung nach für den<br />

Rundfunk kaum oder gar nicht verwendbar ist. Es gibt aber auch eine<br />

dramatische Epik. Wir sind alle Zeugen, daß die heutige Schaubühne in einer<br />

Krise begriffen ist. Manche sagen, daß sie vor einer Katastrophe stehe. Jedenfalls<br />

ist das eine private Ansicht. Sicher aber ist, daß sich manche Grundelemente des<br />

Dramas, viele seiner kräftigsten Bekundungen, in den Roman gerettet haben. Es<br />

gibt eine dramatische Epik, die heute von unserer Jugend mit „Tempo“ bezeichnet<br />

wird. Diese wahrhaft dramatischen Romane sind zweifellos für den Rundfunk<br />

überaus gut geeignet, nämlich dann, wenn eine ganz besonders dramatische<br />

Episode aus ihnen ausgewählt wird, und wenn es dem Autor selbst gelingt, die<br />

Vorgeschichte bis zu dem Moment, wo die Episode einsetzt, in kurzen, treffenden<br />

Worten dem Hörer zu charakterisieren, so daß er nicht fremd in den<br />

Geschehnissen herumplätschert. Dies sei den Herren vom Rundfunk als<br />

praktischer Vorschlag empfohlen.<br />

Ganz sicher ist folgendes: es mag viele Romane geben, auch selbst Tempo-<br />

Romane, die sich gegen das Mikrophon sträuben; aber eine Abart wird es immer<br />

geben, das sind jene ersten Kapitel eines Romans, in denen man bereits den Pfeil<br />

fliegen sieht, also wo schon, im ersten Kapitel die Richtung angegeben wird, das<br />

Ziel, in das der epische Fluß münden wird. Darüber hinaus gibt es aber auch<br />

erste Kapitel, die in sich eine runde Vorgeschichte enthalten und vollständig<br />

abgeschlossen sind.<br />

Im übrigen möchte ich noch bemerken, auch im Gegensatz zu meinem Herrn<br />

Vorredner und Herrn Döblin: auch das Drama ist sendbar. Es ist es nicht, sobald<br />

es 30 bis 50 Mitwirkende zählt. Der Wallenstein und die Königsdramen von<br />

Shakespeare sind nicht sendbar. Da es aber Dramen von vier bis fünf Personen<br />

gibt, die eine ungeheure Leidenschaft in die Höhe treiben, so ist das meiner<br />

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