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pdf (559 KB) - Mediaculture online

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eingehen, die nicht direkt zu meinem Referat gehören. Mein Nachbar zur Linken<br />

(Dr. Döblin) hat zudem das Gebiet des Erzählens schon berührt. Es ließe sich aber<br />

zeigen, daß bei denselben Problemen des Epischen, die er gestreift hat, man vom<br />

Ohr ausgehend zu einem ganz anderen Ergebnis kommt. Das Ohr des Menschen<br />

hat die merkwürdige Eigenschaft, sich nicht schließen zu können. Ein Mensch ist<br />

imstande, wenn sein Auge überreizt ist, es zuzumachen oder einfach<br />

wegzusehen. Da aber das Ohr nicht zu schließen geht und man auch nicht<br />

imstande ist, wegzuhören und sich so gegen unwillkommene Eindrücke durchs<br />

Ohr zu wehren, hat das Ohr die Eigentümlichkeit, als Zensor zu wirken: der<br />

Mensch fühlt sich gelangweilt. Diese Langweile bei Eindrücken durch das Ohr<br />

erzeugt nun eine Gereiztheit, die sich gegen denjenigen richtet, der sie<br />

verursacht hat, hier also gegen den Rundfunk. Das Ohr interessiert uns hier nach<br />

zwei seiner Eigenschaften - und hier muß ich mich leider gegen Herrn Döblin<br />

werden - , das Ohr ist es zunächst, welches die inneren Wahrnehmungen des<br />

Menschen ununterbrochen in Bewegung hält. Von der Tierreihe unserer Vorfahren<br />

her haben wir die Eigenschaft, auch im Schlaf zu hören, und so Eindrücke<br />

aufzunehmen, auch wenn der andere Sinnesapparat gedämpft ist. Darum wirkt<br />

auch der durch das Ohr gewonnene Eindruck so überaus phantasieanregend.<br />

Gerade das Lesen, lieber Doktor Döblin, ist, wie die Erfahrungen der Seminare<br />

nachweisen, eine Kombination von ruckartigen Bewegungen des Auges und von<br />

Innervationen der Sprach- und Hörzentren, sodaß die Anregung der Phantasie,<br />

die beim Lesen – nach Döblin vom Auge her geboten werden soll, wesentlich<br />

gerade eine von innerem Hören und Mitreden dargebotene Befruchtung des<br />

inneren Lebens des Menschen ist.<br />

Nun haben sich auf der Basis des Hörens zwei große Künste entwickelt, die Musik<br />

und die Epik. Das Epische ist in der Geschichte der Menschheit die<br />

Kunstgestaltung, die ununterbrochen befruchtet wurde vom Aufnehmen der Welt,<br />

und ihre Wiedergabe oder besser Aussprache, Befreiung durch gehörte Sätze. Der<br />

Märchenerzähler, der große Rhapsode hat den Sinn für das Epische geschaffen<br />

lange bevor das Niederschreiben der literarischen Werke jenes Übermaß von<br />

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