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pdf (559 KB) - Mediaculture online

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Ich möchte ein zweites Wort über das Sprechen der Dichter sagen. Ich glaube, daß<br />

die zweitgradigen Künstler - also Schauspieler und Rezitatoren - uns, den<br />

Dichtern, als Lehrer beinah nur schaden können, und ich habe es deshalb immer<br />

abgelehnt, bei einem Schauspieler oder Rezitator sprechen zu lernen. Was diese<br />

Herren auszeichnet, ist eine gewisse wasserklare Mundart, die für uns durchaus<br />

nicht in Betracht kommt. Wir vortragenden Dichter alle lesen im Jahre x- mal, daß<br />

der Dichter nicht „der rechte Interpret seiner Schöpfung“ sei. Aber wir müssen<br />

unterscheiden zwischen der Sprechunart und der Sprecheigenart: Es versteht sich<br />

von selbst, daß ein Dichter, der öffentlich spricht, nicht so leise sprechen darf,<br />

daß er in dem großen Saale nicht gehört wird, er darf auch nicht so stark<br />

mundartlich sprechen, daß die Leute zu lachen anfangen, er darf nicht sitzen und<br />

den ganzen Abend die Worte aus seinem Buche holen, indem er den Kopf auf das<br />

Buch neigt. Das sind Unarten. Der gebildete Mensch sieht demjenigen, mit dem<br />

er spricht, offen und gerade ins Gesicht, läßt seine Hände zwanglos hängen und<br />

redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Alles das, was darüber hinausgeht, ist<br />

fast immer ein Verlust an Eigenwüchsigkeit und Wert.<br />

Ich habe niemals einen Rezitator so gut sprechen hören als jeden Dichter! Gerade<br />

die Spracheigenarten sind ein ganz besonderer Reiz, - eine leise Tönung von<br />

Mundart; der eine spricht liebenswürdig, der andere rauh, der eine hat mehr<br />

einen Wachtmeisterton, der andere mehr einen zärtlichen Ton. Diese<br />

Spracheigenheiten möchte ich auf keinen Fall beim Gedichtvortrag durch den<br />

Dichter missen. Gerade der Dichter soll vorlesen, er allein ist der geborene<br />

Interpret seiner Gedichte.<br />

Auch ein Drama kann man nicht im Rundfunk vorlesen, ich halte das für ganz<br />

ausgeschlossen. Man kann ja kaum im Nebenzimmer, wenn ein Mann mit einer<br />

Frau spricht, unterscheiden, wer redet! Mir sind vorgelesene Dramen einfach<br />

qualvoll. Wenn ich sie noch dazu im Rundfunk höre, wo ich die Vortragenden<br />

nicht einmal sehe, dann geht mir alles verloren.<br />

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