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pdf (559 KB) - Mediaculture online

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einer unendlichen und über viele Jahrhunderte hinaus lebendigen Spannung sein,<br />

auch wenn sie erst im langsamen, ruhigen, epischen Aufnehmen zur Geltung<br />

kommt. Wir kennen nämlich zweierlei Art von Spannung: erstens die<br />

sensationelle und zweitens die dichterische Spannung. Letztere ist es, die das<br />

große Epos trägt. Ich nenne als Beispiel nur den Odysseus; das Wundersame und<br />

Geruhsame des Flusses dieser Erzählung kann nicht genug ausgedehnt werden in<br />

der großen Breite, mit der hier die Welt einströmt in das große Gedicht. Und<br />

dieses epische Element kann der Rundfunk erhalten. Er muß, von der Literatur<br />

wegsehend, versuchen, zu den Märchenerzählern zurückzugehen, die es im Volke<br />

gibt. Er muß die Möglichkeit haben, durch Wettbewerb diejenigen unter uns<br />

Schriftstellern zu suchen, die imstande sind, eine Geschichte langhin zu erzählen,<br />

und diejenigen unter den Nichtschriftstellern, falls solche unter uns Zeitgenossen<br />

noch sein sollten, die in früheren Epochen die Märchen erzählt hätten, jene<br />

Hunderte von wunderbar erzählten Geschichten, die alle Völker aus der Masse<br />

ihrer jeweiligen Literatur zum eisernen Bestandteil und lebendigen Nährboden<br />

ihrer Phantasiebefriedigung gewählt haben. (Zwischenruf Döblin: Die gibt's nicht!)<br />

Es wäre mir sehr unangenehm, von der kurzen Zeit, die mir noch zur Verfügung<br />

steht, noch eine Minute durch eine Pause abzwacken zu müssen. - Diese<br />

Märchenerzähler waren da, und die gibt es auch heute noch. Es kommt nur<br />

darauf an, sinnvoll und spürsam genug zu sein, um sie zu finden. In den<br />

dreieinhalb Jahren, die ich als gemeiner Soldat unter gemeinen Soldaten im Felde<br />

stand, glauben Sie, daß ich da nicht gelernt habe, was erzählen heißt? Und zwar<br />

von den Arbeitern und Bauern, jungen und erwachsenen Männern. Unsere Leute<br />

haben Abend für Abend erzählt, nachdem sie Vertrauen zueinander gefaßt<br />

hatten, von ihren Erlebnissen auf Wanderschaften, mit Frauen, aus ihren Berufen.<br />

Wie diese ungeschulten Leute erzählten, das ist meiner Meinung nach eine Sache,<br />

die für uns, für die Literatur fruchtbar gemacht werden könnte. Nun ist eine<br />

Schwierigkeit dabei zu überwinden: nämlich die Scheu der Menschen, sich zu<br />

entdecken; sich anderen mitzuteilen, die nur durch Mitleben überbrückt werden<br />

kann. Dieses ur- epische Element, mitzuleben mit erzählten erfundenen Personen,<br />

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