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Der Vorsitzende: Ich frage die Herren, ob wir bei unserem ersten Beschluß<br />
bleiben und die Diskussion am Ende der Vorträge einlegen wollen. Wir haben das<br />
gestern beschlossen. Wir müßten danach jetzt zur Lyrik übergehen.<br />
Die Mehrheit stimmt für die Entgegennahme der weiteren Referate über Lyrik.<br />
Lyrik<br />
Friedrich Schnack:<br />
Meine Damen und Herren! Die Arbeitstagung „Dichtung und Rundfunk“ wird<br />
durch das Referat „Lyrik und Rundfunk“ beendet. Die lyrische Dichtung, die ich<br />
vor Ihnen zu vertreten die Ehre habe, hat also das letzte Wort, - im Hinblick auf<br />
öffentliche Bewertung heutiger lyrischer Dichterwerke hat sie es in einem Sinne,<br />
zu dem mir die Vertreter der lyrischen Wortkunst ihre ironische Zustimmung<br />
nicht versagen werden. Ich muß die Rangordnung unseres Programms - Lyrik an<br />
letzter Stelle - zurückweisen, denn die Lyrik ist für die gesamte Literatur und für<br />
das Sprachsein und Sprachwerden ungeheuer wichtig, nicht minder auch für den<br />
Rundfunk. Es wäre eigentlich angebracht gewesen, die Lyrik zum Ausgangspunkt<br />
unserer Betrachtungen zu machen, um die Ur- und Grundwerte, nämlich Klang<br />
und Wort, herauszuheben. Es ist nicht der Zweck meiner Ausführungen, die<br />
Ursachen zu ergründen, weshalb im Geisteshaushalt des Volkes zeitgenössische<br />
lyrische Dichtung als seelisches Nahrungsmittel nicht mehr erscheint oder doch<br />
nur in geringen Dosen erscheint: es genüge der Hinweis, daß die Ausschaltung<br />
der gegenwärtigen lyrischen Wortkunst zur Verarmung und Verblassung unserer<br />
Sprache führen muß, ja, schon geführt hat. Wo das lyrische Vitamin der Sprache<br />
mangelt, gehen die Wortbilder unter, der Vorstellungsreichtum des Volkes<br />
schwindet, die sinnliche Kraft der Darstellung erlischt in seinen schriftlichen<br />
Äußerungen, ein abstrakter, leerer Sprachmechanismus, ein Wörterfriedhof bleibt<br />
zurück. Es ist eine der Wirkungen der lyrischen Dichtung, immer wieder neue<br />
Werte der alten Sprache hinzuzufügen, sie zu beleben und sie beständig zu<br />
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