Meditationen der Stille lesen - Franziskanische Gassenarbeit ...
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verloren, sie sind gerettet, aber sie wissen es nicht. Geh und bring allen dieses Weihnachtsgeschenk,<br />
meine frohe Botschaft, die sie erlöst."<br />
In mir brach von ganz innen her eine Fontäne <strong>der</strong> Freude und Hoffnung auf. Meine zum Teil noch<br />
unbewussten Zweifel, ob es überhaupt eine totale Vergebung gibt, und ebenso die verdrängte Angst<br />
vor dem Geheimnis <strong>der</strong> Hölle, all das wurde durch eine Flut von hoffnungsvollem Glauben<br />
weggespült. Eine wun<strong>der</strong>bare Freude durchdrang Leib und Seele, wie ich sie nur ganz selten vorher<br />
erleben durfte.<br />
Von diesem hoffnungsvollen Quell durchflutet wandte ich mich <strong>der</strong> Gasse zu. Zwei Dealern, <strong>der</strong>en<br />
Wege ich kreuzte, fiel ich beinahe um den Hals. Mit etwas zu viel Enthusiasmus verkündete ich: "Ihr<br />
seid erlöst, ja wirklich, ihr seid erlöst, ihr wisst es nur noch nicht." Überrascht erwi<strong>der</strong>ten sie: "Mönch,<br />
du hast wohl etwas zuviel gebetet o<strong>der</strong> sonst etwas stimmt nicht." Aber ich war nicht zu bremsen und<br />
begann zu erzählen. Es hörten immer mehr zu und während ich von Jesus erzählte, wie er vom<br />
Himmel kam und bis in den Tod am Kreuz hinabstieg, sah ich, wie ein elegantes Auto gleich bei <strong>der</strong><br />
Lettenbrücke angehalten hatte. Während ich weiter sprach, stieg ein Herr mit Krawatte aus dem Auto.<br />
Ich dachte, er suche sein Kind hier auf <strong>der</strong> Gasse. Aber nein, dieser Herr kam mitten durch die Fixer<br />
auf mich zu, übergab mir einen Früchtekorb und sagte: "Ich weiß auch nicht genau, warum ich den<br />
Korb dir gebe, aber irgendwie musste ich das einfach tun." Er verabschiedete sich und ich stand, in<br />
meiner Rede unterbrochen, etwas verdutzt da. Wie ein Geistesblitz durchfuhr es mich: "Ihr lieben<br />
Mitmenschen, warum ich diesen Früchtekorb bekam, weiß ich nicht. Aber wir können jetzt noch lange<br />
über den Früchtekorb diskutieren, o<strong>der</strong> einfach zugreifen und den Inhalt genießen. Genauso ist es mit<br />
dem Glauben an Jesus Christus: Wir können lange darüber diskutieren o<strong>der</strong> uns einfach einmal auf<br />
den Herrn einlassen." Bevor ich fertig gesprochen hatte, öffnete schon jemand den Champagner und<br />
ließ den Korken knallen. Es war ein richtiges kleines Fest mitten auf <strong>der</strong> Gasse und es vergingen keine<br />
zehn Minuten, bis alles aufgegessen war. Zuerst genossen wir den Champagner, dann die Süßigkeiten<br />
und am Schluss die Äpfel mit den Vitaminen. Mit dem Glauben ist es oft ähnlich wie mit dem<br />
Früchtekorb: Zuerst bekommt man den süßen Champagner und erst nach und nach lernt man, die<br />
kostbaren Vitamine aus dem schlichten geistlichen Leben aufzunehmen und zu schätzen.<br />
"So, jetzt muss ich mich verabschieden, denn ich will noch zur Beichte gehen." Ornella, die Tochter<br />
eines höheren Polizisten, schaute mich an und sagte: "Darf ich mitkommen zur Beichte? Aber ich weiß<br />
nicht mehr, wie das geht, ich war seit <strong>der</strong> Schule nie mehr beichten." "Natürlich, kannst du<br />
mitkommen, und ich kenne auch einen ganz tollen Priester für dich." Ornella hatte alle Sünden auf<br />
dem Kerbholz, die man auf <strong>der</strong> Gasse haben kann. Ich sagte zu ihr: „Leg dem Priester alles hin, was<br />
du als Fehler und Sünde erkennst, versuche es nicht zu beschönigen, son<strong>der</strong>n steh aufrecht dazu. Aber<br />
bring auch die Wunden deines Lebens, denn oft wachsen aus den Verletzungen bittere Kräuter, die<br />
gefährliche Früchte tragen. Jesus ist <strong>der</strong>, <strong>der</strong> die Schuld vergibt und auch die Wunden heilt. Also hab<br />
Mut und sprich alles ganz ehrlich aus. Denn in <strong>der</strong> heiligen Schrift steht: Die Wahrheit macht euch<br />
frei.“<br />
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