Meditationen der Stille lesen - Franziskanische Gassenarbeit ...
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Eine gute Möglichkeit, die Schattenarbeit fassbar zu machen, ist <strong>der</strong> Sonnengesang desheiligen<br />
Franziskus. Ich habe viel über diesen Text nachgedacht, <strong>der</strong> mir zum steten Begleiter geworden ist. In<br />
meinem Buch Lied des Lichts beschreibe ich ihn als Weg <strong>der</strong> Initiationen in die große Ganzheit.<br />
Letztlich geht es darum, dass alle Elemente in jedem von uns die heilenden, belebenden und zur<br />
Ganzheit hin wandelnden Spuren hinterlassen. Jedes Element (Sonne, Mond, Sterne, Luft, Feuer,<br />
Wasser, Erde, Schmerz und Tod) kann in Bezug zu den verschiedensten Aspekten des Menschseins<br />
gesehen werden. Dabei ist oft zu viel o<strong>der</strong> zu wenig von jenem Element vorhanden, welches die<br />
Schattenseite ausmacht.<br />
Zum Beispiel besingt Franziskus Schwester Wasser, die demütig, rein und erfrischend ist. Wasser ist<br />
ein Bild für unser emotionales Dasein. Wenn die Emotionen gesund und im Gleichgewicht sind, ist es<br />
wie wenn eine Landschaft Bächlein, Flüsse und Seen hat und alles fruchtbar macht. Menschen, die<br />
unter zuviel Emotionen leiden, sind dauernd überflutet von Gefühlen. Auch sektenhafte Bewegungen<br />
sind mit starken Emotionen verbunden, so dass man kaum eigene Gedanken fassen und<br />
Entscheidungen treffen kann.<br />
In einer an<strong>der</strong>n Strophe besingt Franziskus Bru<strong>der</strong> Feuer, er erhellt die Nacht, er ist schön,<br />
liebenswürdig und kraftvoll. Stellt man das Feuer dem Wasser gegenüber, ist es das heilende<br />
Korrektiv. Das Feuer steht mehr für den individuellen Geist, welcher die Dunkelheit unseres Da-Seins<br />
erleuchtet. Menschen, die ein gesundes Selbst haben, sind schön, liebenswürdig und kraftvoll. Zuviel<br />
Feuer lässt einen aus dem Spannungsfeld zur Emotion herausfallen und man verliert den Bezug zum<br />
Kollektiv, da man die Emotionen übergeht und sich nur noch um sich selber dreht. Entscheidend ist,<br />
die gesunde Spannung von Feuer und Wasser zu finden o<strong>der</strong> eben von Individualität und kollektivem<br />
Eingebunden sein, von eigenständigen Entscheidungen und Gedanken und emotionaler<br />
Verbundenheit.<br />
So stehen alle Elemente als helfende Spiegel für die verschiedensten Aspekte unseres Menschseins zur<br />
Verfügung. Der geschwisterliche Kontakt mit diesen von Gott geschaffenen Elementen kann uns<br />
helfen, mitten im Alltag ein tieferes Gleichgewicht zu finden. Wer gut mit sich, da heißt mit diesen<br />
unterschiedlichen Aspekten des Lebens im Kontakt ist, lebt sehr dynamisch und ruht doch in sich<br />
selbst. Er sagt ja, das ist mein Leben, welches ich selber so gewählt habe und ich würde es wie<strong>der</strong><br />
ähnlich machen.<br />
Jener, <strong>der</strong> nicht in Beziehung zu den verschiedensten Aspekten <strong>der</strong> Seele steht, kann das nicht mit<br />
Gewissheit sagen. Er wird das beklemmende Gefühl nicht los, dass etwas nicht stimmt, dass er<br />
irgendwie gelebt wird, ja dass er nicht wirklich glücklich ist. Ebenso haben solche Menschen oft den<br />
Eindruck, dass sie etwas verpassen. Dann rennen sie von Anlass zu Anlass, von Ferienziel zu<br />
Ferienziel, von Beziehung zu Beziehung und obwohl sie ein vielfaches an Erfahrungen machen, bleibt<br />
das frustrierende Gefühl, etwas zu verpassen. Dieser Eindruck kann so stark werden, dass man nicht<br />
einmal mehr das genießen kann, was das Leben einem in diesem Moment schenkt. Die Seele wird<br />
dabei oft in Teilaspekten ihres Selbst von etwas Fremdem bestimmt und gelebt. Das können massive<br />
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