Meditationen der Stille lesen - Franziskanische Gassenarbeit ...
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spiegelt sich unter an<strong>der</strong>em darin, dass man die Liturgie in echter Freiheit mit <strong>der</strong> Kirche pflegt. Man<br />
weiß, wir könnten dies o<strong>der</strong> jenes auch an<strong>der</strong>s machen, was möglicherweise für den Moment besser<br />
o<strong>der</strong> einfacher wäre, aber das Einssein mit <strong>der</strong> Kirche ist viel wichtiger. Manche verstehen das so, dass<br />
jedes Wort aus den offiziellen Texten gesprochen und gebetet sein muss, an<strong>der</strong>e begreifen die Liturgie<br />
mehr von innen her und wissen, was wesentlich ist für das Feiern <strong>der</strong> Gottesdienste im liturgischen<br />
Sinn. Ich habe schon schwierige Konflikte erlebt, weil die Vorstellungen, was noch liturgisch im<br />
„kirchlichen Sinn“ ist und was nicht weit auseinan<strong>der</strong> gingen. Wenn es um die richtige Ausübung <strong>der</strong><br />
heiligen Liturgie geht, findet man sich schneller in den Diskussionen <strong>der</strong> Pharisäer und Sadduzäer<br />
wie<strong>der</strong>, als man will. Und trotzdem wage ich es, einiges dazu zu schreiben. Wichtig ist einfach zu<br />
wissen, dass sich auch die Liturgie <strong>der</strong> Kirche immer wie<strong>der</strong> wandelt; manchmal ist es dennoch<br />
klüger, in einer offiziellen Messe keine neuen Gebets- o<strong>der</strong> Predigtarten einzubringen.<br />
Ich komme noch einmal auf den Vergleich mit dem Computer zurück. Wenn jemand den Rechner<br />
startet, sieht er auf dem Bildschirm diverse Icons (Symbole) und nur wer <strong>lesen</strong>, schreiben, eine<br />
Tastatur und Maus bedienen kann, kann überhaupt mit diesem Gerät weiter arbeiten. So ähnlich ist es,<br />
wenn jemand eine Kirche betritt o<strong>der</strong> eine Heilige Messe besucht. Er steht vor einer Wand von Icons<br />
und Symbolen, in Kunst und Worten. Hinter jedem Icon steht ein eigenes Programm, das wie<strong>der</strong>um<br />
ein ganz eigenes Wissen und Können voraussetzt. Einen Teil des Wissens kann man intellektuell zu<br />
vermitteln versuchen, aber das Wissen des Glaubens ist ein Wissen, welches auch durch den Geist<br />
eingeflößt wird und sich in <strong>der</strong> Praxis vertieft.<br />
((Ü3)) Rituale im Gottesdienst<br />
Gerne erinnere ich mich in diesem Zusammenhang an meine Afrika-Reise mit meinem ehemaligen<br />
Schreinerlehrmeister, wir haben dort gemeinsam eine Schreinerei aufgebaut. Immer wie<strong>der</strong> gingen wir<br />
in die Gottesdienste und er interessierte sich sehr für die Rituale, da er selber in einer Freimaurer-Loge<br />
aktiv ist.<br />
An einem Nachmittag besuchten wir die Kirche und Otto erzählte mir, wie er einmal einen guten<br />
Auftrag nicht bekam, weil er in einer Kirche keine Kniebeuge gemacht hätte. Gegen diese Kniefälle,<br />
Kreuzzeichen usw. habe er wohl irgendwie eine Aversion, o<strong>der</strong> aber er verstehe diese religiösen<br />
Ausdrucksformen nicht recht. Dann erzählte er noch von einer merkwürdigen Begebenheit aus seiner<br />
eigenen Lehrzeit: Er musste vor Weihnachten immer mit dem sehr katholischen Maschinisten in einer<br />
Kirche riesige Krippenfiguren aufstellen. Und jedes Mal, wenn er wie<strong>der</strong> die Kirche durchquert habe,<br />
habe er einen Kniefall gemacht und ein Kreuzzeichen geschlagen. Das sei ihm schon sehr komisch<br />
vorgekommen, da sie ja gearbeitet hätten und nicht im Gottesdienst waren.<br />
„Komm, wir gehen etwas Wasser trinken, dann werde ich dir noch einiges zu erklären versuchen“,<br />
sagte ich zu ihm. „Weißt du, es ist heikel, wenn jemand zum innersten Geheimnis <strong>der</strong> Kirche geht,<br />
wenn er die Kommunion empfängt und die an<strong>der</strong>en rituellen Elemente wie Kniebeuge, Kreuzzeichen,<br />
An-die-Brust-Klopfen, Händefalten nicht macht o<strong>der</strong> die Lie<strong>der</strong> und Gebete nicht mitsingt o<strong>der</strong><br />
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