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Meditationen der Stille lesen - Franziskanische Gassenarbeit ...

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vielleicht bald Unmengen von Alkohol, Cannabis o<strong>der</strong> ähnliches dazugekommen und irgendwann<br />

hätte sich mein Leben tragisch entwickelt, mit falschen Freunden, mit Rauschzuständen, womöglich<br />

mit Gewalt und krummen Geschäften.<br />

Im jetzigen Leben sehe ich diese verwirrten und verirrten Menschen auf <strong>der</strong> offenen Drogenszene, in<br />

Gefängnissen, in Psychiatrien und auf Friedhöfen, weil ihr Leben oft früh und tragisch endet.<br />

Trotzdem bekam ich gerade durch diese Menschen neue Einsichten in den Glauben und über das<br />

Wesen Jesu. Darum möchte ich eines meiner Schlüsselerlebnisse wie<strong>der</strong>geben, und wenn ich es nicht<br />

selbst erlebt hätte, ich meinte es wäre erfunden. Diese Erfahrung ist für mich zu einem Stück<br />

Evangelium geworden. Sie ist auf den ersten Blick so unglaubwürdig wie viele Texte aus <strong>der</strong> Heiligen<br />

Schrift und sie löste eine neue Umkehr in mir aus, zum Wesen des christlichen Glaubens hin.<br />

Es war am 24. Dezember 1995. Wie es eigentlich für Katholiken üblich ist, wollte ich zu meiner<br />

Weihnachtsbeichte. Als ich mich auf den Weg machte, überkam mich ein starker Impuls: "Geh auf die<br />

Drogenszene, denn <strong>der</strong> Vater im Himmel möchte Dir etwas beibringen." Es ist selten, dass die Impulse<br />

so klar kommen, aber wenn sie da sind, bin ich ziemlich sicher, dass es mein Engel ist, <strong>der</strong> zu mir<br />

spricht. Ich hatte genügend Zeit, den kleinen Umweg zu machen.<br />

Damals war am alten Lettenbahnhof eine furchtbare Drogenszene. Es gab immer Scharen von Dealern,<br />

Fixern, herumlungernden Menschen und Obdachlosen, die alle nur darauf aus waren, irgendwie an<br />

Geld zu kommen o<strong>der</strong> sich mit Drogen zu betäuben. Bru<strong>der</strong> Leonhard stand hier fast täglich und<br />

versuchte etwas von <strong>der</strong> frohen Botschaft zu leben und zu verkünden. Da ich noch im Studium war,<br />

konnte ich nur in <strong>der</strong> freien Zeit auf die Gasse – so nennen wir in <strong>der</strong> Schweiz das Milieu, die<br />

Drogenszene. Auch wenn es nur ein Tropfen auf den heißen Stein war, und wir scheinbar kaum etwas<br />

an dieser Sintflut des Todes geän<strong>der</strong>t haben, so wäre ich heute nicht <strong>der</strong>, <strong>der</strong> ich bin, wenn ich nicht<br />

dort hingegangen wäre. Es mag sein, dass <strong>der</strong> Tropfen auf den heißen Stein in einer Suchtgesellschaft<br />

nicht viel bewirkt. Aber allein diejenigen, die in ihrem Glauben wenigstens versuchen kleine Tropfen<br />

des Trostes, des Heils und <strong>der</strong> Hoffnung zu bringen, werden in ihrem eigenen Leben reichlich dafür<br />

gesegnet.<br />

Also setzte ich mich in die Tram und mir ging ein Gespräch durch den Kopf, welches ich kurz zuvor<br />

mit einer etwas zu eifrigen Katholikin hatte. Sie klagte darüber, wie wenige Menschen noch an Jesus<br />

glaubten und wie schlimm es um die Moral stünde. Am Schluss erzählte sie von einer Botschaft, in <strong>der</strong><br />

gesagt wurde: "Die Seelen <strong>der</strong> Menschen fallen so zahlreich in die Hölle, wie die Schneeflocken im<br />

Winter vom Himmel."<br />

Ich schob diese Gedanken beiseite und betete den freudenreichen Rosenkranz. Es war schließlich<br />

Weihnachtszeit und wer Franz von Assisi kennt, <strong>der</strong> weiß, welch freudvolle Zeit das für uns ist.<br />

Franziskus war es, <strong>der</strong> <strong>der</strong> Freude über den kleingewordenen Gottmenschen Jesus in gewisser Weise<br />

neu zum Durchbruch verhalf, indem er vor bald 800 Jahren in einer ärmlichen Grotte in Greccio mit<br />

Ochs und Esel die Weihnachtsliturgie feierte. Weihnachten, wenn aus dem unendlich großen und<br />

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