Meditationen der Stille lesen - Franziskanische Gassenarbeit ...

gehört auch eine entsprechende bildliche Darstellung der Passion Christi, wobei die einzelnen Motive
in der Kunst ganz unterschiedlich ausgestaltet wurden. Aber ich nehme außerdem immer wieder
Bezug auf die Drogensucht, stellvertretend für das große Leid in dieser Welt, und auf die Bilder, die
ich von Doris gemacht habe. Sucht ist gerade deshalb so tragisch, weil in der Person des Süchtigen
Täter und Opfer zusammenkommen. Irgendwo sind die Süchtigen Opfer von Beziehungskrisen,
falscher Erziehung und von unserer Gesellschaft, die für viele Menschen nur schwer Platz bietet. Auf
der andern Seite sind sie auch Täter, die bewusst und berechnend vorgehen, um an die Drogen
heranzukommen. Dabei schrecken Süchtige manchmal weder vor Lügen, noch Diebstahl oder Raub
zurück. Dass der Kreuzweg Jesu ein „Begnadigungs“-Weg für Opfer und Täter ist, war auch für mich
die ganz neue Einsicht.
((Ü3)) Der Kreuzweg eines Süchtigen und der Kreuzweg des Herrn
1. Station
Jesus wird von Pilatus zum Tod verurteilt.
Bei jeder Station knien wir uns hin und beten:
Gebet: Wir beten dich an Herr Jesus Christus, denn durch dein heiliges Kreuz hast du die ganze Welt
erlöst.
Wir betrachten das Bild: Pilatus ließ sich auf Drängen der Hohen Priester zu einem ungerechten Urteil
hinreißen. Er wollte den Tod Jesu nicht, da er nichts Unrechtes an seinem Handeln fand. Er versuchte
eine Begnadigung, indem er das Volk zwischen Barnabas und Jesus wählen ließ, aber das Volk,
welches aufgewiegelt worden war, wollte, dass Jesus gekreuzigt wurde. Pontius Pilatus, der noch von
seiner Frau gewarnt wurde, ließ Jesus auf das Grausamste auspeitschen und verurteilte ihn zum Tod
am Kreuz. Nachdem Jesus noch einige Worte zu Pilatus sagte, schwieg er auf alle weiteren Fragen, die
Pilatus stellte.
Meditation: Verurteilen: Er schweigt – schweigen wir?
Schweigend und sprachlos schauen der Staat und wir zu, wie "Suchtbetroffene" aus unserer Realität
hinaussterben. Sie fühlen sich nur noch in der Scheinwelt der Drogensucht zuhause. Dabei
vereinsamen sie mehr und mehr. Schweigen wir? Schweigt ER?
Das Foto, das ich machte, zeigt, wie Doris in den Unterhosen dasteht. Man sieht, wie sie ihre
Fixertasche vor ihren Füßen auf den Boden auskippt. Am Boden liegen Kondome, Spritzen, Nadeln,
Schokolade, Brot, Schminkzeug, Papier, Zigaretten und vieles mehr. All das, was sie noch braucht, um
ihre Sucht zu stillen. Schweigend schaute ich mit der Kamera zu.
Sie ist verurteilt zum Konsumieren, denn der Entzug machte sich schon wieder bemerkbar, sie zitterte
am ganzen Leib und sagte nichts mehr.
Nach einem Moment des Schweigens beten wir beim Kreuzweg:
Gebet: Heiliger Gott, Heiliger starker Gott heiliger Unsterblicher Gott erbarme dich unser.
Dann gehen wir weiter zur nächsten Leidens Station. Ein Bild an der Wand zeigt sie an.
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