Meditationen der Stille lesen - Franziskanische Gassenarbeit ...

Vor Jahren schrieb unser General (der oberste Franziskaner weltweit) in einem seiner Briefe über das
Beten. Die Brüder sollen darauf bedacht sein, dass sie die Tradition der Kirche in Liebe pflegen, mit
all den Gebeten und Riten. Aber genauso sollen sie Ausschau halten nach neuen Formen des Betens
und dabei darauf achten, dass sie immer von dem selben Heiligen Geist erfüllt sind, der sich alter und
neuer Gefäße bedient.
Und in einem anderen kirchlichen Schreiben rief unser Papst zu einem interreligiösen Dialog der
Begegnung auf. Diese Worte fielen in meinem Herzen auf fruchtbaren Boden, denn ich wollte es
umsetzen und dachte nicht im Entferntesten daran, dass ich je etwas darüber schreibe. Inzwischen ist
es mir auch gar nicht mehr wichtig, ob dieser Impuls auf ein offizielles Schreiben zurückgeht oder
nicht, denn die Suche nach neuen Gefäßen des Betens öffnete mir einen riesigen Horizont und der
interreligiösen Dialog der Begegnung prägte besonders die nächste Phase.
Sport und Gebet war bei mir schon immer ein Thema. So entstanden die Grundgebete mit Bewegung
kombiniert, sogenannte Gebärdengebete. Besonders das Vaterunser hatte mich tief inspiriert, aber
auch das Glaubensbekenntnis und das Gegrüßet seist du Maria. Wenn wir vorformulierte Gebete oft
wiederholen, ist die Gefahr, dass man sie oberflächlich spricht, ohne ganz mit dem Herzen dabei zu
sein. Wenn wir die Gebete mit unserer Körpersprache mitsprechen, können wir sie ganzheitlich
erfahren. Über den heiligen Franziskus wird erzählt, er sei selber ganz und gar Gebet geworden. Auch
er hat überaus kreative Formen des Gebets gepflegt, sei es, dass er sich vor den Wegkreuzen
niederwarf, dass er stundenlang am Boden kniete und betete „wer bist du heiliger Gott, wer bin ich
kleiner Wurm“ oder dass er zwei Holzstücke nahm und sie an die Schulter hielt wie eine Geige und
dann voller Freude Loblieder sang. Auch vom heiligen Dominikus wird eine Art Gebärdengebet
überliefert: Die Brüder hätten durch das Schlüsselloch seiner Zelle geschaut und gesehen, wie er in der
Nacht mit dem ganzen Körper betete.
Das kreative Beten desheiligen Franziskus mit den Schneemännern ist wohl eine ganz besondere Perle
in der Geschichte des Betens. In seinem Ringen mit den Leidenschaften, mit dem Wunsch nach einer
Familie, verdrängte er das Thema nicht einfach, sondern ging, so wird erzählt, in der Nacht nackt in
den Schnee hinaus und baute Schneemänner. Ein Bruder folgte ihm heimlich und erzählte später
davon. Franziskus habe nicht einfach Schneemänner gemacht, sondern eine Schneefrau und
Schneekinder. Dann sei er vor sie hin gestanden und habe mit ihnen gesprochen: Er habe das Leben
des Evangeliums gewählt und könne nicht für sie sorgen. Sicher hat er dabei auch gebetet.
Diese kreative Auseinandersetzung mit unseren nicht oder anders gelebten Lebensaspekten ist ein
Schlüssel für eine tiefere Freiheit im Menschsein und im Gebet. So habe ich auch schon
Schneemänner gebaut oder eine kleine Puppe gebastelt, mit der ich einen gebetstherapeutischen Weg
gegangen bin. Gerade um mit Emotionen zu arbeiten, ist das Gestalten einer Puppe oder einer Skulptur
eine Hilfe. Jedenfalls ist es spannend zu sehen, welche konstruktiven inneren Prozesse bei den
Menschen beginnen, Prozesse, die sich immer auch auf eine ganzheitlichere Gebetsform auswirken.
Auf dem Weg des Betens gehören die Emotionen und der Leib unbedingt dazu.
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