Gerhard Ott: Zur Entstehung der prismatischen ... - Farben-Welten
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«Die Finsternis tritt für die Beobachtung ebenso als Erscheinung auf wie da,<br />
Licht. Das Dunkel ist in demselben Sinne Wahrnehmungsinhalt, wie die Helle. Das<br />
eine ist nur <strong>der</strong> Gegensatz des an<strong>der</strong>en. Das Auge, das in die Nacht hinausblickt, ver·<br />
mittelt die reale Wahrnehmung <strong>der</strong> Finsternis. Wäre die Finsternis das absolute Nichts,<br />
so entstände gar keine Wahrnehmung, wenn <strong>der</strong> Mensch in das Dunkel hinaussieht.» 7<br />
Es sollten hier diese bedeutsamen Sätze Rudolf Steiners beson<strong>der</strong>s herausgehoben<br />
werden, weil sich zeigen wird, daß bei allen folgenden Darlegungen<br />
von <strong>der</strong> gleichen Seinswirklichkeit <strong>der</strong> Finsternis mit dem Lichte<br />
ausgegangen werden muß_ Und daß man den tiefgreifenden Unterschied in<br />
den Anschauungsweisen Goethes und Newtons gar nicht richtig ermessen<br />
kann, wenn man nicht in diesem Punkte sich völlige Klarheit verschafft<br />
und diese Klarheit bei allen Betrachtungen über die <strong>Entstehung</strong> von <strong>Farben</strong><br />
voll gegenwärtig hält.<br />
Auch in dem auf Bitten <strong>der</strong> ersten Waldorflehrer vom 23.Dez.1919-<br />
3.Jan.1920 an <strong>der</strong> damals soeben begründeten Freien Waldorfschule in<br />
Stuttgart gehaltenen «Lichtkurs» spricht Rudolf Steiner in mündlicher<br />
Form diesen Tatbestand nochmals auf das Nachdrücklichste aus:<br />
«Ich sollte niemals sprechen von irgendwelchen Lichtstrahlen o<strong>der</strong> <strong>der</strong>gleichen,<br />
son<strong>der</strong>n von verschobenen Lichträumen. Und will ich irgendwo von einem isolierten<br />
Licht sprechen, so kann ich davon gar nicht so sprechen, daß ich irgend etwas in <strong>der</strong><br />
Theorie auf dieses isolierte Licht beziehe, son<strong>der</strong>n ich muß so sprechen, daß ich mein<br />
Gesprochenes zugleich auf das, was angrenzt, beziehe. Nur wenn man so denkt, kann<br />
man wirklich fühlen, was da eigentlich vorgeht, wenn man <strong>der</strong> <strong>Entstehung</strong> <strong>der</strong> <strong>Farben</strong>erscheinungen<br />
gegenübersteht. Man bekommt sonst eben einIach durch seine Denkweise<br />
den Eindruck, als ob aus dem Lichte heraus irgendwie die <strong>Farben</strong> entstünden.<br />
Man hat sich vorher den Gedanken zurechtgelegt, daß man es nur mit dem Licht zu<br />
tun habe. In Wirklichkeit hat man es nicht mit dem Licht zu tun, son<strong>der</strong>n mit irgend<br />
etwas Hellem, an das an <strong>der</strong> einen o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite Dunkelheit angrenzt. Und ebenso,<br />
wie dieses Helle im Raum verschoben wird, ebenso wird das Dunkle verschoben.»<br />
Und an einer an<strong>der</strong>en Stelle des Kurses faßt er das Ergebnis des auch<br />
von ihm dort vorgeführten Experimentes <strong>der</strong> <strong>Farben</strong>erzeugung mit dem<br />
Prisma in den entscheidenden Satz zusammen:<br />
«<strong>Farben</strong> entstehen also da, wo zusammenwirken Dunkelheit und Helligkeit.»<br />
In <strong>der</strong> Polarität von Licht und Finsternis, im polaren Zusammenwirken<br />
<strong>der</strong> beiden real zu nehmenden Kräfte, urständet also für Goethe und<br />
auch für Rudolf Steiner die Wirklichkeit des Farbigen.<br />
Wenn nun auch neuerdings durch die aufsehenerregenden Versuche<br />
und Farbexperimente des amerikanischen Physikers Edwin Land 8 beträchtliche<br />
Zweifel an <strong>der</strong> Gültigkeit <strong>der</strong> Newtonschen Farbanschauungen<br />
auftraten, so ist doch kein Zweifel, daß die zeitgenössische Physik und mit<br />
ihr alle physikalischen Lehrbücher noch immer ausschließlich Newtons<br />
Anschauung als ,die allein zutreffende betrachten. Aus den schon angeführ-<br />
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