Gerhard Ott: Zur Entstehung der prismatischen ... - Farben-Welten
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sie für subjektive Vorgänge am Menschen erklärt, denen in Wirklichkeit,<br />
zum Beispiel bei <strong>der</strong> Farbe, nur Wellenbewegungen des schwingenden<br />
Aethers zugrunde liegen sollen.<br />
Nun schreibt aber Prof. Heitler in dem schon genannten Buche: 13<br />
«Damit aber müssen wir zu dem Schluß kommen, daß man ... die <strong>Farben</strong> auch<br />
zur Außenwelt rechnen darf, wie es die Goethesche <strong>Farben</strong>lehre will. Somit müssen<br />
wir also fragen: Ist es denkbar, daß die Qualität <strong>der</strong> Farbe (und dann natürlich zahlreiche<br />
an<strong>der</strong>e Qualitäten) auch außerhalb von uns schon existieren und unsere Wissenschaft<br />
nur deshalb nichts davon weiß, weil sie sich von vornherein nur auf Quantitatives<br />
beschränkt? O<strong>der</strong> müssen wir uns wirklich vorstellen, daß die Welt um uns herum<br />
nur aus meßbaren Gegebenheiten besteht, und alles Qualitative ausschließlich an<br />
Lebewesen mit Sinnesempfindungen gebunden ist? Ein stichhaltiger Grund hierfür<br />
wäre schwer anzugeben, obwohl dies <strong>der</strong> Standpunkt ist, den unsere Wissenschaft einnimmt.»<br />
Wie<strong>der</strong> wird also hier von einer an<strong>der</strong>en Seite, von einem zeitgenössischen<br />
Physiker etwas in Frage gestellt, was bis heute unverän<strong>der</strong>liches<br />
wissenschaftliches Ergebnis zu sein schien und worauf zum Beispiel alles<br />
bisherige Nachdenken über das Wesen <strong>der</strong> Farbe basierte!<br />
Genau so wenig aber ist ein stichhaltiger Grund dafür anzugeben, daß<br />
die Physik die Finsternis nicht als dieselbe Wahrnehmungsrealität wie das<br />
Licht behandelt, wie ein solcher anzugeben ist für die Annahme, daß die<br />
Qualität Farbe nicht objektiv zu nehmendes Forschungsobjekt <strong>der</strong> Außenwelt<br />
sein sollte, «wie es die Goethesche <strong>Farben</strong>lehre will».<br />
Diese angeführten zwei Symptome, die Lartdschen Versuche und Prof.<br />
W. Heitlers Revision <strong>der</strong> physikalischen Stellung <strong>der</strong> Farbe selbst als einer<br />
mit zur Außenwelt gehörigen Entität, zeigen wie ein Barometer an, daß ein<br />
neuer geistiger Wind zu wehen beginnt. Ja, man könnte sogar von einem<br />
geistigen Erdbeben sprechen, für welches diese zwei genannten Symptome<br />
nur die Ausschläge des Seismometers darstellen. Es scheint, daß Einzelne zu<br />
erkennen beginnen, daß in den bisher so selbstverständlich übernommenen<br />
Anschauungen, die wir «vom Kin<strong>der</strong>garten an» durch unsere Schulerziehung<br />
in uns aufgenommen haben, sehr vieles lebt, was durchaus ohne<br />
«stichhaltigen Grund» ist und für die Zukunft in Frage gestellt werden<br />
muß. Eine «furchterweckende Unabhängigkeit, die aus dem Umgang mit<br />
<strong>der</strong> Wahrheit entspringt» - eine Charakterisierung von Goethes Wesensart<br />
durch den Amerikaner Ralph Waldo Emerson - wird aber notwendig sein,<br />
um über alteingewurzelte Vorurteile den Weg zu einer neuen Anschauungsart<br />
auf diesen Gebieten zu finden. Vielleicht müssen dann nicht abermals<br />
250 Jahre vergehen, bis man erkennen wird, daß in <strong>der</strong> Tat in Goethes<br />
<strong>Farben</strong>lehre, nach allen Seiten, auch <strong>der</strong> physikalischen, die Anschauungen<br />
leben, die zu einer wahren Erkenntnis vom Wesen des Farbigen führen.<br />
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