Gerhard Ott: Zur Entstehung der prismatischen ... - Farben-Welten
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seinem Denken das aus, was die Natur mit ihren Kräften tut. O<strong>der</strong>: die<br />
Natur erkennt sich selbst durch den menschlichen Geist.<br />
Dieses Urphänomen spricht nun Goethe in seiner <strong>Farben</strong>lehre selbst<br />
deutlich aus im Zusammenhang mit Grundtatsachen <strong>der</strong> Natur, die je<strong>der</strong><br />
beobachten und immer wie<strong>der</strong> für sich verifizieren kann. Nachdem er<br />
dargetan hat, daß <strong>der</strong> leere Raum den Charakter <strong>der</strong> vollkommenen<br />
Durchsichtigkeit besitzt, sagt er:<br />
«Wenn sich nun <strong>der</strong>selbe <strong>der</strong>gestalt füllt, daß unser Auge die Ausfüllung<br />
nicht gewahr wird, so entsteht ein materielles, mehr o<strong>der</strong> weniger körperliches,<br />
durchsichtiges Mittel, das luft- und gasartig, flüssig o<strong>der</strong> auch fest sein kann. Die<br />
reine durchscheinende Trübe leitet sich aus dem Durchsichtigen her.»56<br />
Eine durchsichtige materielle Raumerfüllung bezeichnet also Goethe<br />
mit dem Wort Trübe und sagt von ihr:<br />
«Das Durchsichtige selbst, empirisch betrachtet, ist schon <strong>der</strong> erste Grad des<br />
Trüben. Die ferneren Grade des Trüben bis zum undurchsichtigen Weißen sind<br />
unendlich.»56<br />
Diese Trübe nun ist es, <strong>der</strong> Goethe im Zusammenwirken mit Licht<br />
und Finsternis, mit Helligkeit und Dunkelheit, das Entstehen des Farbigen<br />
zuschreibt.<br />
«Auf welcher Stufe wir auch das Trübe ... festhalten, gewährt es uns, wenn<br />
wir es in Verhältnis zum Hellen und Dunklen setzen, einfache und bedeutende<br />
Phänomene. ,,56<br />
Diese einfachen und bedeutenden Phänomene sind nun die allem<br />
Farbigen zugrunde liegenden Werdebedingungen, es sind die Urphänomene<br />
<strong>der</strong> Farbe selbst. Im Hinblick auf die Erscheinungen <strong>der</strong> Natur<br />
lenkt Goethe in folgen<strong>der</strong> Weise den Blick auf sie hin :57<br />
«Das höchst energische Licht, wie das <strong>der</strong> Sonne, des Phosphors in Lebensluft<br />
58 verbrennend, ist blendend und farblos. So kommt auch das Licht <strong>der</strong> Fixsterne<br />
meist farblos zu uns. Dieses Licht aber, durch ein auch nur wenig trübes Mittel<br />
gesehen, erscheint uns gelb. Nimmt die Trübe eines solchen Mittels zu o<strong>der</strong> wird<br />
seine Tiefe vermehrt. so sehen wir das Licht nach und nach eine gelbrote Farbe<br />
annehmen, die sich endlich bis zum Rubinroten steigert ... »<br />
«Wird hingegen durch ein trübes, von einem darauffallenden Lichte erleuchtetes<br />
Mittel die Finsternis gesehen, so erscheint uns eine blaue Farbe, welche immer<br />
heller und blässer wird, je mehr sich die Trübe des Mittels vermehrt, hingegen<br />
immer dunkler und satter sich zeigt, je durchsichtiger das Trübe werden kann, ja,<br />
bei dem mindesten Grad <strong>der</strong> reinsten Trübe als das schönste Violett dem Auge<br />
sichtbar wird ... »<br />
Und etwas danach:<br />
«Die Sonne, durch einen gewissen Grad von Dünsten gesehen, zeigt sich mit<br />
einer gelblichen Scheibe. Oft ist die Mitte noch blendend gelb, wenn sich die<br />
Rän<strong>der</strong> schon rot zeigen ... » - «Wird die Finsternis des unendlichen Raumes<br />
durch atmosphärische, vom Tageslicht erleuchtete Dünste hindurch angesehen, so<br />
erscheint die blaue Farbe ... »<br />
«Licht, durch ein trübes Mittel gesehen, wird gelb,<br />
Finsternis, durch ein erhelltes Mittel gesehen, blau»,59<br />
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