Gerhard Ott: Zur Entstehung der prismatischen ... - Farben-Welten
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sieht er in dieser Dar,stellungsmöglichkeit selbst ein Merkmal, ein Wahrzeichen<br />
ihres Seinsgehaltes. Der <strong>Farben</strong>sechsstern ist ihm ein Gleichnis,<br />
wie im Schöpfungsgeschehen Licht und Finsternis sich verschränken,<br />
durchdringen, um die Welt <strong>der</strong> Farbe, ja die Welt als Farbe hervorzubringen.<br />
Nicht mystische Schwärmerei führt ihn zu einer solchen Ansicht<br />
- davor ist er gerade durch die exakte Grundlegung des physikalischen<br />
Aufbaus des <strong>Farben</strong>wesens gefeit! -, wohl aber die Haltung des<br />
Forschers, <strong>der</strong> auch dem Höheren, noch Unerkennbaren, sich in Ehrfurcht<br />
zuwendet und das höchste Sinnliche zugleich als innerste Gewähr<br />
des Uebersinnlichen ansieht. Nur aus dieser Seelenhaltung heraus sollten<br />
auch Worte aufgenommen werden, wie sie Goethe in seinen eigeqen<br />
Schlußworten zu seiner «<strong>Farben</strong>lehre» fast zögernd ausspricht, wohl wissend,<br />
daß er sich hier an den unmittelbaren Grenzen des Uebersinnlichen<br />
selbst befindet. 30<br />
«Daß zuletzt auch die Farbe eine mystische Deutung erlaube, läßt sich wohl<br />
auch ahnden. Denn da jenes Schema, worin sich die <strong>Farben</strong>mannigfaltigkeit darstellen<br />
läßt, solche Urverhältnisse andeutet,3l die sowohl <strong>der</strong> menschlichen Anschauung<br />
als auch <strong>der</strong> Natur angehören, so ist wohl kein Zweifel, daß man sich<br />
ihrer Bezüge gleichsam als einer Sprache auch da bedienen könne, wenn man Urverhältnisse<br />
ausdrücken will, die nicht ebenso mächtig und mannigfaltig in die<br />
Sinne fallen. '" Gar manches läßt sich im Triangel 32 schematisieren und die<br />
<strong>Farben</strong>erscheinung gleichfalls, und zwar <strong>der</strong>gestalt, daß man durch Verdoppelung<br />
und Verschränkung 33 zu dem alten geheimnisvollen Sechseck gelangt.»<br />
«Wenn man erst das Auseinan<strong>der</strong>gehen des Gelben und Blauen wird recht gefaßt,<br />
beson<strong>der</strong>s aber die Steigerung ins Rote genugsam betrachtet haben, wodurch<br />
das Entgegengesetzte sich gegeneinan<strong>der</strong> neigt und sich in einem Dritten vereinigt,<br />
dann wird gewiß eine beson<strong>der</strong>e geheimnisvolle Anschauung eintreten, daß man<br />
diesen beiden getrennten, einan<strong>der</strong> entgegengesetzten Wesen eine geistige Bedeutung<br />
unterlegen könne, und man wird sich kaum enthalten, wenn man sie unterwärts<br />
das Grün und oberwärts den Purpur hervorbringen sieht, dort an die irdischen,<br />
hier an die himmlischen Ausgeburten <strong>der</strong> Elohim zu gedenken.»<br />
So führt Goethe die Erkenntnisse, die ihm in streng geführtem Anschauen<br />
und Denken an den physikalischen Farherscheinungen aufgegangen<br />
sind, unmittelbar und in innerlichster Konsequenz bis an jenen<br />
Punkt, wo eben die sinnlich-sittliche in die sinnlich-übersinnliche Wirkung<br />
<strong>der</strong> Farbe übergeht. In fast noch großartigerer Weise aber findet<br />
sich das hier nur im Anschluß an ein hohes Symbolum Ausgesprochene<br />
in dichterischer Form, gleichsam in noch höherer poetischer Verklärung,<br />
in dem Gedichte «Wie<strong>der</strong>finden» ausgesprochen (in dem innerlichsten<br />
Buche Suleika des «West-Oestlichen Diwans»). Dort offenbart Goethe<br />
seine tiefste und zugleich intim-menschlichste Ueberzeugung von dem,<br />
was für ihn die Farbe im Weltgeschehen bedeutet. Was er am Schlus,se<br />
seiner «<strong>Farben</strong>lehre» selbst nur scheu anzudeuten wagt, «um sich nicht<br />
noch am Schlusse dem Verdacht <strong>der</strong> Schwärmerei auszusetzen», das<br />
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