Gerhard Ott: Zur Entstehung der prismatischen ... - Farben-Welten
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ten Worten aus «Goethes Weltanschauung» aber mag hervorgehen, wie tief<br />
die heutigen physikalischen Vorstellungen auf diesem Gebiete in Anschauungsgewohnheiten<br />
verwurzelt sind, und daß nur ein ganz tiefgreifendes<br />
begriffliches Umdenken zeigen würde, «wie wenig Eignung die mo<strong>der</strong>ne<br />
naturwissenschaftliche Denkweise dazu besitzt, Goethe zu kritisieren, und<br />
wie viel sie von ihm lernen könnte» (Schlußsatz <strong>der</strong> Vorrede zur 1. Auflage<br />
in «Goethes Weltanschauung»). Ein real Denken<strong>der</strong> wird also nicht erwarten<br />
dürfen, daß hierin ein schneller Wandel eintrete und eine seit 250 J ahren<br />
gültige Lehre über die <strong>Farben</strong> plötzlich fallengelassen würde. Auch<br />
dann nicht, wenn sogar heute schon von dem Berichterstatter über diese<br />
Experimente Lands gesagt wird: 9<br />
KEine <strong>Farben</strong>lehre, die nahezu 300 Jahre bestanden hat; ist plötzlich umgeworfen<br />
worden» und: «Die Wissenschafter glaubten, daß wenn sie die Wellenlängen irgendeines<br />
Lichtwellenbündels messen würden, welches das Auge erreicht, daß sie dann mit<br />
Sicherheit sagen könnten, welche <strong>Farben</strong> das Auge unter Bedingungen<br />
sehen würde. Wenn nun auch dem Worte natürlicherweise eine gewisse<br />
Elastizität zugebilligt werden mußte, so erwartete doch niemand, daß es sich als so<br />
elastisch erweisen würde, daß es einfach bedeutungslos ist. Das aber ist es, was Land<br />
nun auf so glänzende Weise bewiesen hat, daß jedes Lehrbuch, das über <strong>Farben</strong> handelt,<br />
neu geschrieben werden muß.»<br />
Immerhin ist aber durch die überraschend aufgetretenen Erscheinungen<br />
bei den Farbversuchen Lands sehr deutlich geworden, daß das [neinan<strong>der</strong>wirken<br />
von Hell- und Dunkelwerten entscheidend am Entstehen <strong>der</strong><br />
Farbe beteiligt ist. Das aber sind gerade die Fundamente, auf denen Goethes<br />
<strong>Farben</strong>lehre beruht, während sie in <strong>der</strong> Newtonsehen Anschauung,<br />
die nur vom Lichte alle <strong>Farben</strong> ausgehen läßt, keinen richtigen Platz finden<br />
können. So wurde Land selbst genötigt, für die Deutung seiner Farbversuche<br />
von «Non-Newtonian colours», also nicht nach Newtons Ansicht zu<br />
deutenden <strong>Farben</strong> zu sprechen. Für Nachdenkenwollende ist also in <strong>der</strong><br />
Gegenwart durchaus ein neuer und schwerwiegen<strong>der</strong> Anlaß gegeben, sich<br />
wie<strong>der</strong>um mit den Fragen zu befassen, die einen Goethe so sehr bewegten,<br />
daß er von ihnen noch in hohem Alter zu Eckermann sagte:<br />
«Es gereut mich keineswegs, obgleich ich die Mühe eines halben Lebens hineingesteckt<br />
habe. Ich hätte vielleicht ein halb Dutzend Trauerspiele mehr geschrieben,<br />
das ist alles, und dazu werden sich noch Leute genug nach mir finden.»<br />
Und wenige Jahre vor seinem Tode, als Achtzigjähriger, steigert er<br />
diese Ueberzeugung noch zu dem erstaunlichen Ausspruch:<br />
«Auf alles, was ich als Poet geleistet habe, bilde ich mir gar nichts ein. Es haben<br />
treffliche Dichter mit mir gelebt, es lebten trefflichere vor mir, und es werden ihrer<br />
nach mir sein. Daß ich aber in meinem Jahrhun<strong>der</strong>t in <strong>der</strong> schwierigen Wissenschaft<br />
<strong>der</strong> <strong>Farben</strong>lehre <strong>der</strong> einzige bin, <strong>der</strong> das Rechte weiß, darauf tue ich mir etwas zugute,<br />
und ich habe daher ein Bewußtsein <strong>der</strong> Superiorität über viele.»<br />
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