Gerhard Ott: Zur Entstehung der prismatischen ... - Farben-Welten
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wissen Beziehung auch sonst mit Bezug auf unser Bewußtsein ausgesaugt, indem wir<br />
einschlafen. Da hört unser Bewußtsein auf. Es ist eine ganz ähnliche Erscheinung des<br />
Aufhörens unseres Bewußtseins, wenn wir uns von den immer helleren <strong>Farben</strong> den<br />
dunkleren <strong>Farben</strong>, dem Blau und Violett, nähern ... »<br />
So zeigt hier Rudolf Steiner, wie sich die in <strong>der</strong> <strong>Farben</strong>welt manifestierende<br />
Polarität <strong>der</strong> hellen und dunklen <strong>Farben</strong> bis weit hinein in die Bewußtseinsfragen<br />
verfolgen läßt. Damit erweist sich aber das rechte Verständnis<br />
<strong>der</strong> <strong>Farben</strong>welt auch als ein erster Schlüssel zum Eindringen in<br />
höhere Erkenntnisfragen <strong>der</strong> Menschennatur selbst. An<strong>der</strong>erseits wird ein<br />
intimes Erfassen des farbigen Polaritätscharakters auch einen tieferen<br />
Aufschluß gewähren in alle tieferstehenden Naturäußerungen, wie z. B.<br />
Magnetismus und Elektrizität. Im Licht-Finsterniswirken ist sozusagen das<br />
feinste Naturprozessuale vorgebildet, dessen gröbere Manifestationen, aber<br />
vielfach in adäquaten Strukturformen, wir auch in den genannten Bereichen<br />
wie<strong>der</strong>finden können. Das Licht-Finsterniswirken, das in dem Zusammenspiel<br />
zum Farbigen seinen reinsten und überraschendsten Ausdruck<br />
erlangt, ist eben die Schwelle, die vom Unstofflichsten zum immer<br />
tiefer Stofflich-Erfaßbaren führt. Es ist aber auch die Schwelle, wo unmittelbar<br />
<strong>der</strong> Aufstieg zum Unstofflichen, Geistig-Wesenhaft-Realen erfolgen<br />
und vorgeahnt werden kann. So gilt mit Recht Goethes bedeutsames<br />
Faust-Wort:<br />
«Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.»<br />
Denn so bekennt Faust, indem er, <strong>der</strong> Nacht sich entringend, sich<br />
plötzlich dem Flammenübermaß <strong>der</strong> aufgehenden Sonne gegenübersieht<br />
und sich wegkehrt, vom Augenschmerz durchdrungen:<br />
«So bleibe denn die Sonne mir im Rücken!<br />
Der Wassersturz, das Felsenriff durchbrausend,<br />
Ihn schau' ich an mit wachsendem Entzücken.<br />
Von Sturz zu Sturzen wälzt er jetzt in tausend,<br />
Dann aber tausend Strömen sich ergießend,<br />
Hoch in die Lüfte Schaum an Schäume sausend.<br />
Allein wie herrlich diesem Sturm entsprießend,<br />
Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer,<br />
Bald rein gezeichnet, bald in Luft zerfließend,<br />
Umher verbreitend duftig kühle Schauer!<br />
Ihm sinne nach, und du begreifst genauer:<br />
Am farbigen Abglanz haben wir das Leben.»<br />
So mögen auch diese Worte Goethes die Betrachtung beschließen, die<br />
ein Nachsinnen sein wollte über das offenbare Geheimnis von «des bunten<br />
Bogens Wechseldauer». Und zugleich eine offene Frage (mit <strong>der</strong> sich<br />
Goethe bis in die letzten Tage seines Lebens befaßt hat) : Wie kommen wir<br />
zu einem wahrhaft naturgemäßen Erfassen des Regenbogens, wie gestaltet<br />
er sich im Zusammenspiel von Licht-Finsternis-Trübe?<br />
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