Gerhard Ott: Zur Entstehung der prismatischen ... - Farben-Welten
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ei Goethe von den Wahrnehmungen an den <strong>prismatischen</strong> <strong>Farben</strong> bis<br />
zu den an den <strong>Farben</strong> erlebbaren sinnlich-sittlichen Wirkungen führt.<br />
Die letzteren sind gleichsam nur höhere, erst im Seelischen zu erlebende<br />
Phänomene, die aber wie<strong>der</strong>um unmöglich so ausgesprochen werden<br />
könnten, wenn nicht eine ganr,>; exakte physikalische Anschauung dahinter<br />
stünde_ Mit einer solchen Erkenntnis wird aber zugleich jener<br />
Bemühung aller Wirklichkeitsboden entzogen, die versucht, Goethes Betrachtungen<br />
über die sinnlich-sittliche Wirkung <strong>der</strong> Farbe als bedeutsame<br />
künstlerische Leistung anzuerkennen, den physikalischen Teil aber<br />
als bedauerlichen Irrtum eines unwissenschaftlichen Laien abzutun_ Dies<br />
geschieht jedoch heute fast ausnahmslos und stellt eine bare Inkonsequenz<br />
des Denkens dar. Entwe<strong>der</strong> man ringt sich bis in die genauesten<br />
Einzelheiten physikalischer Forschung zu Goethes Ansichten durch, wie<br />
sie hier skizziert wurden, o<strong>der</strong> man verwirft diese Ansichten. Dann aber<br />
bleibt nichts übrig, als zuzugeben, daß auch <strong>der</strong> Teil <strong>der</strong> <strong>Farben</strong>lehre,<br />
<strong>der</strong> von den sinnlich-sittlichen Beziehungen <strong>der</strong> <strong>Farben</strong> handelt, gegenstandslos,<br />
verfehlt und ohne Grundlage ist. Das eine verwerfen und das<br />
an<strong>der</strong>e anerkennen, heißt nichts an<strong>der</strong>es, als das Er,dgeschoß abreißen<br />
und im Obergeschoß weiter wohnen wollen. Es ist dieses Verhalten aber<br />
immer wie<strong>der</strong> empfohlen worden; es entspringt jedoch nur einer sehr<br />
oberflächlichen Anschauung von <strong>der</strong> Gediegenheit Goetheschen Denkens.<br />
29 Goethe selbst hätte sich gegen diese Art von «Wohlwollen» wohl<br />
unzweideutig zur Wehr gesetzt!<br />
Mit den oben angeführten Bei,spielen haben wir aber die Betrachtung<br />
des <strong>Farben</strong>wesens einheitlich - wenn auch nur in einer großen Skizze -<br />
an jenen Punkt herangeführt, wo die sinnlich-sittliche Wirkung <strong>der</strong> Farbe<br />
in die sinnlich-übersinnliche übergeht. Im ernstesten Sinne gilt aber<br />
auch hier für Goethe das am Schlusse seines «Faust»-Dramas Ausgesprochene:<br />
«Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis». So ist ihm zutiefst<br />
auch alles Farbige selbst ein Gleichnis und deutet ihm hin auf den übersinnlichen<br />
Urgrund <strong>der</strong> Welt, da wo die Farbe nicht in <strong>der</strong> Natur o<strong>der</strong><br />
in <strong>der</strong> Menschenseele allein ihr Wesen offenbart, son<strong>der</strong>n wo ihm die<br />
Farbe selbst als <strong>der</strong> AusHuß <strong>der</strong> Schöpfungsgeister, <strong>der</strong> Elohim, erscheint.<br />
Die aus <strong>der</strong> Anschauung <strong>der</strong> Naturtatsachen hervorgegangene<br />
Anordnung <strong>der</strong> <strong>Farben</strong> im Sinnbilde des Sechssterns erscheint ihm als<br />
ein Hinwei.s auf <strong>der</strong>en Verwurzeltsein in den tiefsten Weltgeheimnissen.<br />
Wie sich die beiden Farbdreiheiten als Endstufen <strong>der</strong> beiden Spektren<br />
im Bilde <strong>der</strong> beiden auf- und abwärtsgerichteten, sich verschränkenden<br />
Dreiecke exakt darstellen las,sen, sich zum Sechsstern vereinig,end, so<br />
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