Gerhard Ott: Zur Entstehung der prismatischen ... - Farben-Welten
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«Es liegt in <strong>der</strong> Goetheschen Weltauffassung, daß die Natur sich in dem<br />
Menschen die Organe schafft, durch die sie in ihrer höchsten Entfaltung erscheinen<br />
kann. Was in <strong>der</strong> Natur dem Wesen nach begründet ist, schafft sich im Menschen<br />
die Organe, um zur sinnenfälligen Erscheinung zu kommen.»<br />
So ist für Goethe <strong>der</strong> Sehakt des Menschen nicht weniger objektiv,<br />
im erkenntnismäßigen Sinne, auch wenn er vom Menschen selbst betätigt<br />
wird, als <strong>der</strong> Lichtakt. Er spielt sich vielmehr nach denselben Gesetzen<br />
ab wie <strong>der</strong> Lichtakt, welcher für die Vorgänge außerhalb unserer Leibesnatur<br />
maßgebend ist. Als Beobachtungsorgan gibt uns das Auge in<br />
selbstloser Weise Kunde von dem Wirken des Lichtes (und <strong>der</strong> Finsternis)<br />
in <strong>der</strong> Welt, als tätiges Sehorgan richtet es sich in seiner eigenen<br />
Wirksamkeit nach genau denselben Gesetzmäßigkeiten, die dem Lichte<br />
selbst zukommen. Es ist nur ein an unserem Leib verankertes WeItorgan.<br />
47 Ein Lichtakt kann also durch einen Sehakt vollkommen aufgehoben<br />
werden. Dies aber bezeugt, daß das Sinnesorgan Auge zugleich objektives<br />
Weltorgan <strong>der</strong> Natur im Menschen ist und damit in seiner Bedeutung<br />
für die Erkenntnis des Lichtverhaltens und <strong>der</strong> <strong>Farben</strong>bildung<br />
gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. «Das Auge ist <strong>der</strong> genaueste<br />
physikalische Apparat, den wir kennen», sagt Goethe mit Recht. 48<br />
Auf diese grundlegende Entsprechung, diesen polaren Bezug von<br />
Licht und Auge mußte hier deswegen so deutlich hingewiesen werden,<br />
weil alle in Abschnitt 11 dieser Darstellung geschil<strong>der</strong>ten Phänomene<br />
g'enau so in «objektiver» Art wie<strong>der</strong>holt werden können. So erhalten wir<br />
auch die entgegengesetzten Farbrän<strong>der</strong>ungen, wenn wir etwa in den Projektionsapparat<br />
ein Diapositiv einführen, das beim Lichtdurchgang ein<br />
Hell-DunkeI-HeIl-Bild auf dem Schirm ergibt. Dieses ist dann wie<strong>der</strong> das<br />
polare Bild zu dem bis jetzt besprochenen Bild des Lichtausschnittes,<br />
dem Dunkel-Hell-Dunkel-Bild (siehe Fig. 1 bei Abschnitt 11). Auch hier<br />
geschieht jetzt die Bildverrückung nach oben 49 und die beiden <strong>Farben</strong>folgen<br />
sind jetzt vergleichsmäßig nebeneinan<strong>der</strong>gestellt:<br />
Hell·Dunkel-Folge <strong>Farben</strong> am Bild <strong>der</strong> Mitte <strong>Farben</strong> am<br />
oberen Rand<br />
unteren Rand<br />
dunkel·hell·dunkel violett·blau -+ weiß +- gelb-rot<br />
hell-dunkel-hell gelb-rot -+ schwarz +- violett-blau<br />
Nimmt man nun die Helligkeitszone zwischen zwei Dunkelheiten<br />
o<strong>der</strong> die Dunkelheitszone zwischen zwei HeIIigkeiten wie<strong>der</strong> sehr schmal,<br />
so ergibt sich jetzt als kontinuierliche <strong>Farben</strong>/alge:<br />
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