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Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-11-11 (Vorschau)

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Technik&Wissen<br />

VALLEY TALK | Warum die Förderung der Startup-<br />

Kultur in Deutschland Thema in den Koalitionsverhandlungen<br />

sein müsste. Von Matthias Hohensee<br />

Eklatanter Unterschied<br />

FOTO: JEFFREY BRAVERMAN FÜR WIRTSCHAFTSWOCHE<br />

Seit Jahren besuchen deutsche<br />

Politiker, Wirtschaftsförderer und<br />

Unternehmer regelmäßig das Silicon<br />

Valley, um die Geheimnisse<br />

hinter dessen Wirtschaftskraft und berühmter<br />

Startup-Kultur zu ergründen. Man<br />

könnte lange über Kaliforniens Reize dozieren,<br />

über das Zusammenspiel zwischen<br />

Weltklasse-Universitäten, Forschungszentren<br />

wie PARC oder SRI, expansionsgetriebenen<br />

Konzernen, interessanten Startups<br />

und Geldgebern mit Mut zum Risiko.<br />

Aber nüchtern betrachtet – <strong>vom</strong> attraktiven<br />

Wetter mal abgesehen –, unterscheidet<br />

Kalifornien und Deutschland nicht allzu<br />

viel: Gute Universitäten, exzellente Forschungsinstitute,<br />

talentierte Wissenschaftler,<br />

fähige Programmierer und ambitionierte<br />

Unternehmer gibt es in Deutschland<br />

auch. Die Bürokratie ist in Kalifornien sicher<br />

nicht ganz so ausgeprägt wie in Deutschland,<br />

aber vorhanden. Steuern und Abgaben<br />

sind mittlerweile ähnlich hoch. Selbst<br />

einen Mindestlohn gibt es hier.<br />

Woran also mangelt es Deutschland ? Am<br />

Ende scheint es auf eine entscheidende<br />

Schwäche hinauszulaufen: mangelndes<br />

Wagniskapital für Jungunternehmen.<br />

Wie eklatant sich die Länder hier unterscheiden,<br />

zeigen aktuelle Erhebungen zum<br />

dritten Quartal von PricewaterhouseCoopers<br />

und Dow Jones VentureSource. In den<br />

USA wurden demnach von Juli bis Ende<br />

September umgerechnet rund 5,8 Milliarden<br />

Euro Risikokapital investiert. 3,2 Milliarden<br />

Euro davon flossen nach Kalifornien,<br />

fast gänzlich ins Silicon Valley. Im gleichen<br />

Zeitraum steckten Investoren in Europa<br />

1,13 Milliarden Euro Wagniskapital in junge<br />

Unternehmen. Fast die Hälfte in Großbritannien,<br />

nach Deutschland gingen nur<br />

schnöde 135 Millionen Euro.<br />

Pro Kopf wurden in den USA etwa 19 Euro<br />

an Wagniskapital investiert, in Deutschland<br />

1,67 Euro. Und dabei war der aktivste<br />

Fonds in Europa im dritten Quartal ausgerechnet<br />

der High-Tech-Gründerfonds aus<br />

Bonn. Er ist größtenteils von der öffentlichen<br />

Hand finanziert. Ohne ihn stünden<br />

Deutschlands Gründer noch schlechter da.<br />

Dennoch trägt die Politik Mitverantwortung<br />

für den Rückstand. So fehlen etwa<br />

Anreize für privates Kapital. Zwar ist die<br />

Förderung von Business Angels, die bis zu<br />

250 000 Euro ihrer Investition <strong>vom</strong> Staat<br />

zurückerhalten können, ein richtiger<br />

Schritt. Doch die Regularien dafür sind<br />

kompliziert. Dazu kommt, dass der steuerliche<br />

Umgang mit Verlustvorträgen für<br />

Startup-Finanzierungen noch immer nicht<br />

geregelt ist. Eine Gesetzesvorlage, die die<br />

Deutschen zur rechtlichen Klärung in Brüssel<br />

vorgelegt hatten, fiel dort durch, weil es<br />

sich aus EU-Sicht um staatliche Beihilfen<br />

für Privatinvestoren handelte. Franzosen<br />

und Briten haben dessen ungeachtet nationale<br />

Regeln erlassen, die dies ermöglichen.<br />

GRÜNDUNGSFEINDLICHE POLITIK<br />

Und so ist die deutsche Steuerpolitik gründungs-,<br />

eigenkapital- und mittelstandsfeindlich.<br />

Sagt nicht irgendwer, sondern<br />

Dietmar Harhoff, der Vorsitzende der Expertenkommission<br />

Forschung und Innovation<br />

der Bundesregierung; seit Jahren. Dabei<br />

wäre eine dynamische Startup-Kultur<br />

unerlässlich für Deutschlands Wirtschaft.<br />

Ob es bei den laufenden Koalitionsverhandlungen<br />

auch um Startup-Förderung geht,<br />

ist fraglich. Nötig wäre es.<br />

Zwar stecken mittlerweile sogar US-Finanziers<br />

Gelder in deutsche Startups, was<br />

früher undenkbar war. Deutschland ist ein<br />

attraktiver Markt. Google, Amazon, Facebook,<br />

Apple und Ebay wissen das. Sie nutzen<br />

gern die deutsche Infrastruktur und<br />

zahlen kaum Steuern dafür, was wiederum<br />

an fehlgeleiteter europäischer Politik liegt.<br />

Aber das Silicon Valley zeigt auch, wie<br />

wichtig die Nähe der Investoren zu Startups<br />

ist. Ohne starke einheimische Finanzierer<br />

wird nichts laufen. Warum also werden die<br />

nächsten Googles wohl nicht in Deutschland<br />

gegründet? Wagniskapital ist nicht alles.<br />

Aber ein wichtiger Teil der Antwort.<br />

Der Autor ist WirtschaftsWoche-Korrespondent<br />

im Silicon Valley und beobachtet<br />

von dort seit Jahren die Entwicklung der<br />

wichtigsten US-Technologieunternehmen.<br />

WirtschaftsWoche <strong>11</strong>.<strong>11</strong>.<strong>2013</strong> Nr. 46 85<br />

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