Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-11-11 (Vorschau)
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Unternehmen&Märkte<br />
Nanga Parbat in neu<br />
MAERZ | Der Münchner Strickmodehersteller – bekannt durch den<br />
gelben Genscher-Pullunder – kämpft um ein flotteres Image.<br />
Politiker hinterlassen Spuren – auch<br />
modische. Der ehemalige SED-Chef<br />
Erich Honecker war für seine markante<br />
Hornbrille bekannt, Ex-Bundesaußenminister<br />
Hans-Dietrich Genscher für<br />
den senfgelben Strickpullunder mit V-Ausschnitt.<br />
Die Honecker-Brille ist wieder modern:<br />
Marken wie Prada, Gucci oder Ray<br />
Ban stellen Fassungen in Anlehnung an<br />
den Staatsratsvorsitzenden-Style her. Doch<br />
Genschers gelber Pulli hat es noch nicht<br />
wieder auf die Hipster-Liste geschafft –<br />
zum Leidwesen seines Herstellers, des<br />
Münchner Strickwarenherstellers Maerz.<br />
Geschäftsführerin Katja Beibl will nun<br />
gegen das Biedermann-Image ankämpfen<br />
und Maerz umkrempeln: Bekannter will<br />
sie die Strickmarke machen, jüngeren und<br />
mehr weiblichen Käufern soll sie gefallen.<br />
Statt Genscher wünscht sich die 43-Jährige<br />
Hollywood-Star James Franco („Spiderman“,<br />
„Spring Breakers“) als Vorzeige-Träger<br />
ihrer Wollpullis: „Ein klassischer Typ<br />
mit starkem Charakter.“<br />
Bekannt ist Maerz zum Beispiel für<br />
den Merino-Wollpulli Superwash,<br />
der sich bei 30 Grad in die<br />
Waschmaschine stecken<br />
lässt – bequem, solide, praktisch,<br />
aber wenig modisch.<br />
Seit den Neunzigerjahren<br />
schrumpfte der Maerz-Umsatz<br />
denn auch von rund 35 auf<br />
20 Millionen Euro, neue Kollektionen<br />
und Ideen fehlten. 2004 meldete<br />
Maerz Insolvenz an. Anschließend baute<br />
Insolvenzverwalter Markus Prager das Unternehmen<br />
wieder auf, bis 2010 der schwäbische<br />
Hemdenhersteller Olymp zugriff –<br />
und Beibl holte.<br />
Die Chefin möchte nun verstärkt Frauen<br />
gewinnen: Macht die Herrenkollektion bisher<br />
80 Prozent des Umsatzes aus, will Beibl<br />
in der seit Juli laufenden Saison 30 Prozent<br />
an Damen verkaufen. Die Frau, die seit<br />
über einem Jahr die Geschäfte führt,<br />
möchte Käuferinnen wie sich selbst ansprechen.<br />
Mit dunkelbrauner Nerd-Brille,<br />
Jeans, einem dünnen, grauen Maerz-<br />
Strickpulli und darüber einer langen gemusterten<br />
Strickjacke sieht sie weder bieder<br />
noch nach Society-Dame aus.<br />
Frauen im Visier<br />
Geschäftsführerin<br />
Beibl<br />
(links) will mit<br />
peppigeren Damenkollektionen<br />
neue Kundinnen<br />
gewinnen<br />
„Ab 40 verschieben sich die Werte, insbesondere<br />
in Bezug auf Qualität und Nachhaltigkeit“,<br />
sagt die gelernte Bürokauffrau<br />
und studierte Bekleidungstechnikerin.<br />
„Meine Kleidung soll funktional und hochwertig,<br />
aber gleichzeitig modern und anspruchsvoll<br />
sein.“<br />
Beibl kennt sich in der Branche gut aus:<br />
Sie war zuvor bei Esprit, Marc O’Polo und<br />
Ralph Lauren. Daher sieht sie auch international<br />
Potenzial. Bisher macht Maerz<br />
erst 16 Prozent des Geschäfts im Ausland.<br />
Zugleich will Beibl den Vertrieb verbessern.<br />
Maerz-Pullis für Damen – der Preis<br />
beginnt ab 90 Euro – sind nur in wenigen<br />
Boutiquen erhältlich. Bei Peek & Cloppenburg<br />
ist die Damenmode seit Juli zu kaufen.<br />
Beibl hofft, mit der Damenkollektion demnächst<br />
auch bei den Modehäusern Breuninger<br />
und Engelhorn vertreten zu sein.<br />
Um das zu schaffen, hat sie eine neue Designerin<br />
engagiert.<br />
NACKTE MODELS MIT SCHAF<br />
Zudem soll eine Werbekampagne der 1920<br />
gegründeten Marke mit nackten Models<br />
mit Merino-Schaf auf dem Arm zusammen<br />
mit einem neuen Logo zu einem moderneren<br />
Image verhelfen.<br />
So legte Maerz die klassischen Wollpullis<br />
neu auf, in denen 1953 die Klettergruppe<br />
unter Leiter Karl Herrligkoffer als Erste<br />
den Nanga Parbat bestieg – mit anderen<br />
Garnen und leicht angepasstem<br />
Schnitt.<br />
Die Strickkollektion lässt<br />
Maerz in Ungarn herstellen<br />
und steckte 1,5<br />
Millionen Euro in<br />
den Fabrikausbau.<br />
Blusen und Jerseys<br />
kommen aus der<br />
Türkei und Portugal.<br />
Erste Erfolge zeichnen<br />
sich ab: Mit der Damen- und Herrenkollektion<br />
durfte Beibl auf die Berliner<br />
Modemesse Premium. Im Rahmen der<br />
Düsseldorfer Modemesse CPD schaute die<br />
oberste Einkäuferriege von Peek & Cloppenburg<br />
West vorbei. Ein Branchenkenner<br />
lobt: „Maerz stärkt, was die Marke immer<br />
ausgezeichnet hat: die Natürlichkeit bei<br />
Schnitten und den Materialien wie echter<br />
Wolle. Sie werden damit Erfolg haben.“<br />
Beibl will den Umsatz bis 2018 von 24,7<br />
auf 30 Millionen Euro steigern. Dafür wäre<br />
es sicher hilfreich, wenn eines Tages der<br />
Genscher-Pulli eine ähnliche Renaissance<br />
erlebt wie die Honecker–Brille.<br />
n<br />
nele.hansen@wiwo.de<br />
FOTOS: PR<br />
68 Nr. 46 <strong>11</strong>.<strong>11</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />
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