Wirtschaftswoche Ausgabe vom 2013-11-11 (Vorschau)
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Politik&Weltwirtschaft<br />
Geschmeidige Generation<br />
KOALITION | Union und SPD wollen viel verteilen in den nächsten vier Jahren.<br />
Gerecht ist das nicht. Vor allem Junge schneiden schlecht ab. Die wenigen Vertreter<br />
ihres Alters passen sich in den Verhandlungen eher an, als aufzumucken.<br />
Um bei den Jungen zu landen,<br />
muss die Geschichte bei den<br />
Alten beginnen. Bei Heinz<br />
Riesenhuber zum Beispiel.<br />
Als Alterspräsident eröffnete<br />
der 77-jährige CDU-Senior jüngst die Sitzungszeit<br />
des 18. Bundestags. Im Plenum<br />
sprach er auch zur Abgeordneten Dorothee<br />
Bär, 35, die grade noch zur CSU-Jugendtruppe<br />
Junge Union gehört. Bärs<br />
Oma, gleicher Jahrgang wie Riesenhuber,<br />
kümmert sich an Sitzungstagen öfter um<br />
die drei Kinder der Enkelin in Franken.<br />
Die Alten helfen den Jungen. In der Politik<br />
sind die Junioren aber auch oft von Senioren<br />
umzingelt. „Die Älteren sind halt<br />
häufiger politisch aktiv“, sagt Bär. „Jüngere<br />
gehen auch seltener zur Wahl.“<br />
Im Bundestag liegt das Durchschnittsalter<br />
der Abgeordneten bei etwa 50 Jahren.<br />
Bei den Wählern dominieren die Alten: Ein<br />
Drittel ist älter als 60, nur gut ein Viertel<br />
jünger als 40 Jahre alt. In den Parteien sieht<br />
es ähnlich aus: Das durchschnittliche SPD-<br />
Mitglied bringt es auf 59 Jahre, bei CDU<br />
und CSU sind es 57 und 60 Jahre.<br />
KEIN KONFLIKT WEIT UND BREIT<br />
Das macht die jüngeren Ehrgeizigen wie<br />
Bär zwar sichtbar – zumal die CSU-Frau<br />
gerne in Pink oder Lila daherkommt. Doch<br />
die Älteren haben mehr Gewicht. Die Aufstrebenden<br />
legen es zudem nicht auf Konflikte<br />
an. Sie nennen es Vorsicht, andere<br />
würden es womöglich Feigheit nennen.<br />
Die Unterhändler der Möchtegernkoalition<br />
aus Schwarzen und Roten wünschen<br />
sich zudem verwertbare Erfolge bis zur<br />
Wahl in vier Jahren. Doch Mütterrente oder<br />
Rente mit 63, ungedeckte Versprechen bei<br />
der Pflege und das Eingeständnis, die bereits<br />
angehäuften mehr als zwei Billionen<br />
Euro deutscher Staatsschuld doch nicht<br />
abzubauen, sprechen für wenig Weitblick.<br />
Die Folgelasten fallen erst in zehn Jahren<br />
an – oder eine Generation später.<br />
Jüngere wie Bär, der CDU-Wirtschaftspolitiker<br />
Carsten Linnemann, 36, oder die<br />
Last für die Jüngeren<br />
Staatsverschuldung in Deutschland<br />
(inMilliarden Euro)<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
1950 60 70 80 90 2000 10<br />
Quelle:Destatis<br />
SPD-Abgeordnete Sabine Bätzing-Lichtenthäler,<br />
38, müssten „Hier“ und „Stopp“<br />
schreien in den Koalitionsrunden, in denen<br />
es viel ums Verteilen und wenig ums<br />
Aufsparen geht.<br />
Wer viel verteilt, lässt weniger Geld und<br />
Chancen für Jüngere. Doch Generationengerechtigkeit<br />
ist kein Thema. Zu bequem<br />
scheint die wirtschaftliche Lage, zu angepasst<br />
wirken die nicht mehr ganz Jungen, die<br />
es schon fast an die Macht geschafft haben.<br />
Die Dreißiger aus Union und SPD geben<br />
sich pragmatisch und wirken oft beliebig.<br />
Der Tübinger Juniorprofessor Jörg Tremmel<br />
hält die Durchschlagskraft der Jüngeren<br />
für zu gering. Der Befund des Politologen:<br />
„Deutschland ist schon eine Gerontokratie.<br />
Die Jüngeren können sich nicht durchsetzen,<br />
und die Interessen kommender Generationen<br />
werden nicht berücksichtigt.“<br />
Tremmel definiert: „Generationengerecht<br />
wäre, Schulden abzubauen und Investitionen<br />
festzuschreiben.“ Stattdessen sei der<br />
Abbau der Staatsschulden verschoben. In<br />
der Sozial- wie in der Umweltpolitik hinterließen<br />
die Älteren mehr Lasten als Chancen.<br />
PRAGMATISCH STATT BELIEBIG<br />
2002, als Bätzing-Lichtenthäler und Bär<br />
mit so vielen anderen Youngstern wie noch<br />
nie in den Bundestag einzogen, klang vieles<br />
kämpferischer. Bundeskanzler Gerhard<br />
Schröder (SPD) nahm Anlauf zur Agenda<br />
2010, die gefühlte Krise schürte Unruhe<br />
und begünstigte Veränderungen. Damals<br />
sprachen viele von der demografischen<br />
Zeitbombe, wenn immer weniger Junge<br />
den Lebensstandard auch der Älteren sichern<br />
sollen. Davon spricht derzeit in der<br />
Politik keiner, obwohl viele Probleme<br />
durch jahrelanges Aufschieben umso<br />
drängender geworden sind.<br />
Vor zehn Jahren setzte sich Dorothee Bär<br />
noch dafür ein, die Forderung nach Generationengerechtigkeit<br />
in die Verfassung<br />
aufzunehmen. Daraus wurde nichts. „Bei<br />
Grundgesetzänderungen bin ich grundsätzlich<br />
eher skeptisch“, sagt sie heute<br />
nüchtern. „Das ist oft Symbolpolitik.“ Allein<br />
wenn es um eigenständige Rechte für Kinder<br />
gehe, kämpfe sie dafür weiter.<br />
Aus Nachwuchshoffnung Bär ist nach elf<br />
Jahren Bundestag ein abgebrühter Profi<br />
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FOTO: PAUL BLAU FOTOGRAFIE<br />
22 Nr. 46 <strong>11</strong>.<strong>11</strong>.<strong>2013</strong> WirtschaftsWoche<br />
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